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Text (<i></i>kennzeichnet kursive Textstellen): Franz Graf von Pocci (1807-1876) Kasperl bei den Menschenfressern Hier auf dem großen, weiten Meer Viel Schiffe segeln hin und her; Aus Indien und Amerika, Aus Asien und Australia; Mit Waren aller Art beschwert, Die in Europa man begehrt, Ziehn stolz sie auf dem Ozean, Die Mäste, Segel, Wimpel dran. Kanonenboote gibt es auch, Draus schauet mancher eh’rne Schlauch, Und mit den sogenannten Ehrenschüssen Die Schiffe sich begegnend grüßen; Oft aber sausen Kugeln schwer, Kömmt ein Seeräuber übers Meer, Da kracht’s und blitzt’s, manch Schiff verbrennt, Wenn durch den Kiel die Kugel rennt, Die Pulverkammer fliegt entzwei, Und Schiff und Mann sind bald wie Brei! Noch ärger ist’s, wenn auf der See Ein Sturm entsteht, da heißt’s o weh! - Denn oft versinkt ins nasse Grab Das stolze Schiff mit aller Hab’; Da rennen sie durch Trepp’ und Kammern, Man hört nur schreien, stöhnen, jammern, Das Rettungsboot wird abgelassen, Wie kann das alle Mannschaft fassen? Sie stoßen, wälzen, drängen sich, Es ist ein Anblick fürchterlich! So schieden aus dem Vaterland Schon viele, die der Tod bald fand, Als sie, um Schätze zu gewinnen, Zu Schiffe zogen weit von hinnen! Lasst euch nun ein Geschichtchen sagen, Das sich mit Kasperl zugetragen, Als eine Seefahrt er gemacht, Und aber doch nichts heimgebracht. Kurz! Kasperl schwimmt auf einem Kahn Dort durch den großen Ozean, Am andern Ufer, denkt er, gleich Werd' ich in vierzehn Tagen reich; Denn dort liegt Gold wie Sand am Meer, Das schlepp' ich nach Europa her. Kaum ist der Kasperl mitten drin, Schießt gleich auf ihn ein Walfisch hin, Und öffnet seinen Rachen weit, Der einen Strahl von Wasser speit, Drauf tut es einen großen Ruck, Verschlinget Kasperl auf einen Schluck. Der rutscht sogleich in seinen Magen, Was ihm jedoch nicht will behagen. Er springt und stößt im Bauch so sehr, Dass es dem Fisch gefällt nicht mehr. Der speit ihn schon nach einer Stund’ Hinwiederum aus seinem Mund Auf eine Insel an den Strand - Ein gänzlich unentdecktes Land. Herr Jemine, Herr Jemine! Wie tut dem Kasperl alles weh, Weil er so daliegt auf dem Bauch Ganz miserabel bei einem Strauch; Zerrissen sind die Höslein sehr, Und auch sein Magen ist ganz leer! Er reißt die Haar’ sich aus dem Schopf, Schreit was er kann aus seinem Kropf: Zu Hilf, zu Hilf! - wo bin ich, ach! Zu hungern ist nicht meine Sach! Wer schafft mir eine gute Wurst! Wer löscht mit Bier mir meinen Durst! Zu Hilfe, zu Hilfe! Auf dies Geschrei kömmt gleich ein Haufen Von Menschenfressern hergelaufen, Und wie sie Monsieur Kasperl seh’n, Sie ganz verwundert bleiben steh’n. Doch weil sie Menschenfleisch bald riechen, Sie allgemach ihm näher schlichen, Sie packten ihn bei seiner Hos’, Was Monsieur Kasperl sehr verdross, Und schleppten ihn, obgleich er schreit, In ihre Höhle gar nicht weit. Dort brennt ein großes Bratenfeuer, Das ist fürwahr gar nicht geheuer. Sie setzen ihn in eine Eck’ An einen pechschwarzdunklen Fleck, Wo Kasperl nun ganz ungeniert, Wie hier folgt traurig meditiert! O, o, o! Wo, wo, wo - Sitz' ich nun im finstern Loch Bei den Menschenfressern noch! O, o, o! So, so, so, Geht es nun mir armem Tropf, Ich verliere wohl den Kopf! Ach, ach, ach, Krach, krach, krach, - Meine armen, armen Knochen, Werden bald am Bratspieß kochen! Hui, hui, hui, Pfui, pfui, pfui! Ach! Sie werden mich tranchieren Und dann grässlich schnabulieren! O, o, o! So, so, so, Hätt’ ich das zuvor bedenket, Würd’ ich nicht so sehr gekränket! Hierauf verfiel aus Herzenskummer Der Kasperl in den tiefsten Schlummer. Als Kasperl wieder wach geworden, Sieht er die wilden Menschenhorden Um ein großmächtig Feuer sitzen Und einen langen Bratspieß spitzen, Wobei mit grässlichem Geschrei Sie singen diese Melodei: Spissi spassi Casperladi Hicki hacki Carbonadi Trenschi transchi Appetiti Fressi frassi fetti fitti Schlicki schlucki Casperluki Dricki drucki mameluki Michi machi Casperlores Spissi spassi tschu capores. Nun ward dem Kasperl etwas übel; Sie stecken ihn in einen Kübel, Der war gefüllt mit Walfischschmalz, Drin wird gerieben er mit Salz, Wie man’s mit einem Hering macht, Wobei die Wilden sehr gelacht! Ihm aber war’s nicht lächerlich, Vielmehr etwas abstecherlich. Die Menschenfresser legen ihn Ins Freie ans Gestade hin, Damit im warmen Sonnenschein Das Salz und Fett wohl dringe ein; Sie kauern selber nieder sich Und schnarchen alle fürchterlich, Glaubt’s: so ein Menschenfresserschnarch War auch dem Kasperl wohl zu arg; Der zittert voller Angst und bebt, Und danket Gott, dass er noch lebt. Doch was geschieht? wie wunderbar! Hoch in den Wolken schwebt ein Aar; Vom Fettgeruche angezogen Kömmt er auf Kasperl losgeflogen, Packt bei dem Höslein schnell ihn an Mit seinen Krallen, so fest er kann, Erhebt sich mit ihm übers Meer, Zu fliegen hin, wo er kam her. So war es doch für Kasperl besser, Als wenn ihn brieten die Menschenfresser, Dass ihn der Adler in einem Flug Zurücke nach Europa trug; Auf eines hohen Berges Spitze Setzt er ihn samt seiner Mütze, Und schwebt dann wieder weiter fort Zu seiner Brut im Felsenhort; Er will wohl seinen Jungen sagen, Dass einen Fraß er heimgetragen. Nun war der Kasperl in Gefahr, Dass ihn auffrisst der Adler Schar! Doch er besinnt sich gar nicht lang Was er zur Rettung nun anfang’; Sogleich legt er sich auf den Buckel Und tut nur ein ganz kleines Ruckel, Er kollert, rollert überzwerch In einem Hui hinab den Berg Und lieget unten in einer Schlucht, Dieweil der Aar ihn droben sucht. Am ganzen Leib voll blauer Flecken Tut Kasperl hin und her sich strecken, Doch weil sein Magen ziemlich leer Isst er im Walde Heidebeer. Erfrischt, erquickt geht er nun weiter, Begegnet sodann einem Reiter, Der nimmt ihn hinter sich aufs Pferd, Da er es höflich hat begehrt. Nun geht es in Galopp und Trab Durch Wälder und Berg auf Berg ab; Bis Kasperl an sein Haus gelangt, Wo ihn Frau Gretl froh empfangt, Und auch die jungen Kasperlen Von weitem aus dem Fenster seh’n; Entgegen lauft ihm klein und groß Und er steigt ab von seinem Ross, Und alles aus dem ganzen Haus Setzt sich voll Freuden zu dem Schmaus!
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