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Text (<i></i>kennzeichnet kursive Textstellen): Kurt Tucholsky (1890-1935) Letzte Fahrt An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben – da soll es mittags Rote Grütze geben, mit einer fetten, weißen Sahneschicht ... Von wegen: Leibgericht. Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dinger aus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger. Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus. Und ich lieg da und denk: „Ach, polk dich aus!“ Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter. Nun fasst der Karlchen die Blondine unter, die mir zuletzt noch dies und jenes lieh ... Sie findet: Trauer kleidet sie. Der Zug ruckt an. Und alle Damen, die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen: vollzählig sind sie heut noch einmal da ... Und vorne rollt Papa. Da fährt die erste, die ich damals ohne die leiseste Erfahrung küsste – die Matrone sitzt schlicht im Fond, mit kleinem Trauerhut. Altmodisch war sie – aber sie war gut. Und Lotte! Lottchen mit dem kleinen Jungen! Briefträger jetzt! Wie ist mir der gelungen? Ich sah ihn nie. Doch wo er immer schritt: mein Postscheck ging durch sechzehn Jahre mit. Auf rotem samtnen Kissen, im Spaliere, da tragen feierlich zwei Reichswehroffiziere die Orden durch die ganze Stadt die mir mein Kaiser einst verliehen hat. Und hinterm Sarg mit seinen Silberputten, da schreiten zwoundzwonzig Nutten – sie schluchzen innig und mit viel System. Ich war zuletzt als Kunde sehr bequem. Das Ganze halt! Jetzt wird es dionysisch! Nun singt ein Chor: Ich lächle metaphysisch. Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß! Ich schweige tief. Und bin mich endlich los.
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