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Gedichte zu Karfreitag – Dichter · Titel · Beliebteste · Neueste

Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Am Karfreitage

Weinet, weinet, meine Augen,
Rinnt nur lieber gar zu Tränen,
Ach, der Tag will euch nicht taugen,
Und die Sonne will euch höhnen!
Seine Augen sind geschlossen,
Seiner Augen süßes Scheinen.
Weinet, weinet unverdrossen,
Könnt doch nie genugsam weinen!

Als die Sonne das vernommen,
Hat sie eine Trauerhülle
Um ihr klares Aug' genommen,
Ihre Tränen fallen stille.
Und ich will noch Freude saugen
Aus der Welt, der hellen, schönen?
Weinet, weinet meine Augen,
Rinnt nur lieber gar zu Tränen!

Still, Gesang und alle Klänge,
Die das Herze fröhlich machen!
"Kreuz'ge, kreuz'ge!" brüllt die Menge,
Und die Pharisäer lachen.
Jesu mein, in deinen Schmerzen
Kränkt dich ihre Schuld vor allen;
Ach, wie ging es dir zu Herzen,
Dass so viele mussten fallen!

Und die Vöglein arm, die kleinen,
Sind so ganz und gar erschrocken,
Dass sie lieber möchten weinen,
Wären nicht die Äuglein trocken;
Sitzen traurig in den Zweigen,
Und kein Laut will rings erklingen.
Herz, die armen Vöglein schweigen,
Und du musst den Schmerz erzwingen!

Weg mit goldenen Pokalen,
Süßem Wein vom edlen Stamme!
Ach, ihn sengt in seinen Qualen
Noch des Durstes heiße Flamme!
Dass er laut vor Schmerz muß klagen,
Erd und Himmel muß erbleichen,
Da die Henkersknecht' es wagen,
Gall' und Essig ihm zu reichen!

Weiche Polster, seidne Kissen,
Kann mir noch nach euch verlangen,
Da mein Herr, so gar zerrissen.
Muß am harten Kreuze hangen?
O wie habt ihr ihn getroffen,
Dorn und Nagel, Rut' und Spieße!
Doch das Schuldbuch liegt ja offen,
Dass sein heilig Blut es schließe.

In der Erde alle Toten
Fahren auf wie mit Entsetzen,
Da sie mit dem heil'gen, roten
Blute sich beginnt zu netzen.
Können nicht mehr ruhn die Toten,
Wo sein köstlich Blut geflossen;
Viel zu heilig ist der Boden,
Der so teuren Trank genossen.

Er, der Herr in allen Dingen,
Muss die eigne Macht besiegen,
Dass er mit dem Tod kann ringen,
Und dem Tode unterliegen.
Gänzlich muß den Kelch er trinken,
Menschenkind, kannst du's ertragen?
Seine süßen Augen sinken,
Und sein Herz hört auf zu schlagen.

Als nun Jesu Herz tut brechen:
Bricht die Erd' in ihren Gründen,
Bricht das Meer in seinen Flächen,
Bricht die Höll' in ihren Schlünden,
Und der Felsen harte Herzen
Brechen all mit lautem Knalle.
Ob in Wonne, ob in Schmerzen?
Bricht's der Rettung, bricht's dem Falle?

Und für wen ist denn gerungen
In den qualenvollen Stunden,
Und der heil'ge Leib durchdrungen
Mit den gnadenvollen Wunden?
Herz, mein Herz, kannst du nicht springen
Mit den Felsen und der Erde,
Nur, daß ich mit blut'gen Ringen
Neu an ihn gefesselt werde?

Hast du denn so viel gegeben,
Herr, für meine arme Seele?
Ist ihr ewig, ewig Leben
Dir so wert trotz Schuld und Fehle?
Ach, so laß sie nicht gefunden
Sein, um tiefer zu vergehen!
Lass sie deine heil'gen Wunden
Nicht dereinst mit Schrecken sehen!

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Karl Gerok (1815-1890)

Golgatha (Karfreitag)

Durch manche Länderstrecke trug ich den Wanderstab,
von mancher Felsenecke schaut ich ins Tal hinab;
doch über alle Berge die ich auf Erden sah,
geht mir ein stiller Hügel, der Hügel Golgatha.

Er ragt nicht in die Wolken mit eisgekrönter Stirn,
er hebt nicht in die Lüfte die sonnige Alpenfirn,
doch so der Erd entnommen und so dem Himmel nah
bin ich noch nie gekommen, wie dort auf Golgatha.

Es trägt sein kahler Gipfel nicht Wälderkronen stolz,
nicht hohe Eichenwipfel, nicht köstlich Zedernholz;
doch, alle Königszedern, die einst der Hermon sah,
sie neigen ihre Kronen dem Kreuz von Golgatha.

Nicht gibt es dort zu schauen der Erde Herrlichkeit,
nicht grüngestreckte Augen, nicht Silberströme breit;
doch alle Pracht der Erde verging mir, als ich sah
das edle Angesichte am Kreuz auf Golgatha.

Kein Bächlein quillt kristallen dort aus bemoostem Stein,
nicht stolze Ströme wallen von jenen Höhn landein;
doch rinnt vom Stamm des Kreuzes in alle Lande da
ein Born des ew'gen Lebens das Blut von Golgatha.

Dort schlägt der stolze Heide stillbüßend an die Brust,
des Schächers Todesleide entblühet Himmelslust;
dort klingen Engelsharfen ein selig Gloria,
die Ewigkeiten singen ein Lied von Golgatha.

Dorthin, mein Erdenpilger, dort halte süße Rast;
dort wirf dem Sündentilger zu Füßen deine Last!
Dann geh und rühme selig, wie wohl dir dort geschah,
der Weg zum Paradiese geht über Golgatha!

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Peter Hille (1854-1904)

Karfreitag

Karfreitags Krone. Heldenkönig! Einsames Haupt.
Verstoßen. Erheben
Die feige Flucht verdammender Hände.
Ein suchender führender Quell.
Wenn ich erhöht sein werde, will ich alle zu mir ziehen.
Und die Welt, die schwere Welt, die leichtsinnschwere Welt,
Fast schon oben, reißt ab, eine Wunde reißt auf,
Der Seele, Wunde des Leibes, Wunde des Todes:
Vater verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.
Zum schmerzlichen Hohn der Dornenkrone
Fallen kühlende Tropfen fühlender Größe.
Dem bedeutenden, einsamen Menschen an seinem Tage nahe sei,
So ist stiller Freitag, so ist Ostern
Trauerhelles Opferglück.
Abschiednehmendes Wiedersehn.

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Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php

Karwoche

O Woche, Zeugin heiliger Beschwerde!
Du stimmst so ernst zu dieser Frühlingswonne,
Du breitest im verjüngten Strahl der Sonne
Des Kreuzes Schatten auf die lichte Erde,

Und senkest schweigend deine Flöre nieder;
Der Frühling darf indessen immer keimen,
Das Veilchen duftet unter Blütenbäumen
Und alle Vöglein singen Jubellieder.

O schweigt, ihr Vöglein auf den grünen Auen!
Es hallen rings die dumpfen Glockenklänge,
Die Engel singen leise Grabgesänge;
O still, ihr Vöglein hoch im Himmelblauen!

Ihr Veilchen, kränzt heut keine Lockenhaare!
Euch pflückt mein frommes Kind zum dunkeln Strauße,
Ihr wandert mit zum Muttergotteshause,
Da sollt ihr welken auf des Herrn Altare.

Ach dort, von Trauermelodieen trunken,
Und süß betäubt von schweren Weihrauchdüften,
Sucht sie den Bräutigam in Todesgrüften,
Und Lieb' und Frühling, alles ist versunken!

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Christian Morgenstern (1871-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/morgenstern.php

Karfreitagmorgen

Heute will ein alter Mensch
wiederum zu Grabe sterben,
und der neue soll von ihm
nichts als nur den Willen erben,
nach dem endlichen Gelingen
immer tiefer hinzudringen.

Hilf zu solchem Ziel auch Du
mit dem eignen Stirb und Werde!
Lass uns einig unsre Erde
läutern, edlerm Stoffe zu!
Lass uns, liebes Lebensmein,
einer Sehnsucht Flügel sein!

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Kurt Tucholsky (1890-1935)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/kurt_tucholsky.php

Karfreitag

Dies ist ein ernster Tag der Buße,
des Rückwärtsschauns, der Runzelstirn;
ich überdenke mir in Muße
die letzte Zeit in meinem Hirn.

Was war denn da? Vielleicht ein Sündenbabel?
Ein Teufelsdienst? Ein Satanskult?
Ein Hass, wie Kain einst Abel
den Bauch zersägt in himmlischer Geduld?

Ein Mord? Ein Diebstahl? Eine Lügenzunge?
Ein Feuerbrand-? Ach, gar nichts solcherlei.
Er war so brav, der gute dicke Junge,
und nur ein helles Mädchen war dabei.

Wir haben leider keine Kirchenglocken.
Und ohne sichtbar-güldenen Heiligenschein
Läut ich mir froh in blonden Locken
Mein ganz privates Ostern ein! –

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