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Ballade von der Krankheit
Nicht jeden packt mit jähem Ruck
Der Tod und lässt ihn achtlos sinken.
Den meisten gibt er Gift zu trinken
Durch Jahr und Tage, Schluck um Schluck.
Die Krankheit schlüpft in Nonnentracht
Ins Zimmer, das du zugemacht.
Sie schlurft auf Filz. Sie nickt dir zu.
Sie öffnet ihre Siebensache.
Sie eilt, ein Doppelbett zu machen.
Denn du bist sie und sie ist du.
So fest verknüpft, so eng verschnürt
Hat noch kein Paar die Eh' geführt.
Seit jenem Morgen, da sie kam,
Lässt keinen sie an deine Seiten.
Selbst Weib und Kind sehn wie vom Weiten
Entsetzt dich an in deinem Gram.
Und wenn du klagst, die Wunden zeigst,
Dann winkt sie rau dir ab; du schweigst...
Denn was dir fehlt, weiß sie allein.
Nur sie hört deine Ohrenbeichten:
Die tiefen Schmerzen und die seichten,
Die grabende, die flache Pein,
Davon hat sie Geheimbericht,
Nur sie und sonst kein Wesen nicht.
Und das ist wahr! Wenn du auch weißt,
Dass keine Ärzte mehr dich heilen,
Viel schlimmer ist: Nicht mitzuteilen
Vermagst du, was dich zerreißt.
Sie nimmt dem Schmerz, der in dir leibt,
Das Wort vom Mund, das ihn beschreibt.
Doch eines Tags, wenn du erwachst,
Da hat sie, scheint's, sich fortgeschoren.
Du aber dehnst dich, neugeboren,
Voll rosigem Mut. Du singst, du lachst...
Trau ja nicht diesem Jubelschlag.
Die Krankheit hat nur Ausgangstag.
Kehrt sie dann heim im Dämmergrau
Frostklappernd unter deine Decke,
Bringt sie dein kurzes Glück zur Strecke
Und heischt als strenge Ehefrau,
Dass du, dieweil du niederfährst,
Ausschließend dich an ihr bewährst.
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Elternlied
Kinder laufen fort.
Lang her kanns noch gar nicht sein,
Kamen sie zur Tür herein,
Saßen zwistiglich vereint
Alle um den Tisch.
Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphtherie!
Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töchter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
Nur auf einen Sprung.
Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt,
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
Um den leeren Tisch.
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Ich habe eine gute Tat getan
Herz, frohlocke!
Ich habe eine gute Tat getan.
Nun bin ich nicht mehr einsam.
Ein Mensch lebt,
Es lebt ein Mensch,
Dem die Augen sich feuchten,
Denkt er an mich.
Herz, frohlocke:
Es lebt ein Mensch!
Nicht mehr, nein, nicht mehr bin ich einsam,
Denn ich habe eine gute Tat getan.
Nun haben die seufzenden Tage ein Ende.
Tausend gute Taten will ich tun!
Ich fühle schon,
Wie mich alles liebt,
Weil ich alles liebe.
Hinström ich voll Erkenntniswonne.
Du mein letztes, süßestes,
Klarstes, reinstes, schlichtestes Gefühl:
Wohlwollen!
Tausend gute Taten will ich tun.
Schönste Befriedigung
wird mir zuteil:
Dankbarkeit,
Dankbarkeit der Welt.
Stille Gegenstände,
Werfen sich mir in die Arme.
Stille Gegenstände,
Die ich in einer erfüllten Stunde
Wie brave Tiere streichele.
Mein Schreibtisch knarrt,
Ich weiß, er will mich umarmen.
Das Klavier versucht mein Lieblingsstück zu tönen,
Geheimnisvoll und ungeschickt
Klingen alle Saiten zusammen.
Das Buch, das ich lese,
Blättert von selbst sich auf.
Ich habe eine gute Tat getan.
Einst will ich durch die grüne Natur wandern,
Da werden mich die Bäume
Und Schlingpflanzen verfolgen.
Die Kräuter und Blumen
Holen mich ein,
Tastende Wurzeln umfassen mich schon,
Zärtliche Zweige
Binden mich fest,
Blätter überrieseln mich,
Sanft wie ein dünner,
Schütterer Wassersturz.
Viele Hände greifen nach mir,
Viele grüne Hände,
Ganz umnistet
Von Liebe und Lieblichkeit
Steh ich gefangen.
Ich habe eine gute Tat getan,
Voll Freude und Wohlwollens bin ich
Und nicht mehr einsam,
Nein, nicht mehr einsam.
Frohlocke, mein Herz!
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