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Kritische Weihnachtsgedichte – Dichter 1 2 · Titel 1 2 · Beliebteste · Neueste

Ludwig Tieck (1773-1853)

Weihnachten

Wenn herüber zu meinem Garten
Die alten Lieder tönen
Der Pfeifer, die aus dem Gebirge kommend
Jeglich Marienbild mit Weisen grüßen,
So dünk' ich mich in seltsame, ferne
Wunderzeiten entrückt,
Und alte Legenden, und himmlische Sehnsucht,
Zarte Lieb' und große Erinnerung
Quellen aus den rauen, einfachen Tönen.
Tiefer, und inniger
Spricht der Frömmigkeit Wort
Die wunderliche Melodie,
Als in den Kirchen
Der neuen Künstler Wirrwarr,
Die alle Töne keck aufbieten
Um zu heucheln und zu grimassieren,
Und mit weltlichem Prunk
Das Heilige höhnen.

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Matthias Jentzsch (geb. 1962)

Weihnachten und Schafe

Die Schafe, das ist euch bekannt,
leben in Herden auf dem Land,
laufen dort hin und laufen her.
Damit das nicht die Kreuz der Quer,

sondern recht ordentlich passiert,
werden von Hirten sie geführt.
Die geben auf die Herde acht,
so auch passiert in jener Nacht,

als plötzlich eine Engelschar
laut singend zu vernehmen war.
Hallelu hier und luja da,
so kamen sie den Hirten nah.

Die rannten los hin zu dem Stall,
begleitet von der Engel Schall.
Der Rest der Story ist bekannt,
und füllt der Bibel zweiten Band.

Hätt’s damals Schafe nicht gegeben,
stünd’ zeitgleich auch kein Hirt daneben,
der Engel Botschaft wär’ verpufft
in einsamkalter Ackerluft.

Drum denkt, wenn ihr das Fest erlebt,
ehrfürchtig vor der Krippe steht,
und alles strahlt in hellem Licht:
Das gäb’ es ohne Schafe nicht.

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Klaas Klaasen (geb. 2.4.1955), www.mypage.bluewin.ch/jetpoet

weihnachtenschlachten

es schlagen die herzen
so hell und fromm
es funkeln die kerzen
so wild im sturm

es friert die armut
das fest erwacht
auf bänken im winter
in voller pracht

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Ludwig Pfau (1821-1894)

Weihnachtslied

Den deutschen Arbeitern in Paris zum Bescherungsfest

Im Kreise froher Weihnachtsgäste
Sei uns gegrüßt, o Lichterbaum!
Verheißung strahlten deine Äste
Manch kindlichem Erlösungstraum.
Doch was wir mild Beschertes fanden,
Wie stolz das Halleluja klingt -
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.

Wohl folgten, Lieder auf den Lippen,
Die Weisen Bethleh'ms Leuchte gern;
Wohl lag das Kindlein in der Krippen,
Doch war sein Stern ein Wandelstern.
Die heitern Strahlen flohn und schwanden,
Wo schwarzer Wahn die Schleier schlingt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.

Umsonst mit seines Purpurs Falten
Bedeckt der Gott das Büßerkleid:
Die Gnade mag im Himmel walten,
Die Erde braucht Gerechtigkeit.
Die Liebe zwingt mit neuen Banden,
Ob auch die alte Fessel springt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.

Kein Jenseits kann den Helfer senden,
Den Christ säugt jede Mutter groß;
Die Menschheit muss mit eignen Händen
Erkämpfen sich ihr irdisch Los.
Er kommt in rußigen Gewanden,
Der Retter, der die Hölle zwingt –
Der Heiland ist noch nicht erstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.

Erkenntnis heißt die Bundeslade,
Die Wahrheit gibt und Tugend schafft;
Und Arbeit heißt die Wirkungsgnade,
Die uns erlöst – durch unsre Kraft,
Wann wir den Erbfluch überwanden,
Der Hand und Hirn der Not verdingt –
Dann ist der Heiland auferstanden,
Der in die Welt die Freiheit bringt.

Schon pflanzt der Geist, der Überwinder,
Der Arbeit großen Weihnachtsbaum,
Um den die Völker einst, wie Kinder,
Sich scharen unterm Himmelsraum.
O Weihtag! wann der ob den Landen
Die ries'gen Lichteräste schwingt –
Dann ist in jeder Brust erstanden
Der Heiland, der die Freiheit bringt.

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Erich Mühsam (1878-1934)

Weihnachtslied

O Tannenbaum, o Tannenbaum -
sechs Zweiglein sind dein Alles.
So klein und dürr - man sieht dich kaum;
du hast in einem Stiefel Raum.
O Tannenbaum, o Tannenbaum, du Sinnbild unsres Dalles!

O Weihnachtsmann, o Weihnachtsmann -
du gehst vorbei ins Weite.
Hast ein zerfetztes Röcklein an,
bringst nichts, was Kinder freuen kann.
OWeihnächtsmann, o Weihnachtsmann,
auch dein Geschäft ist pleite.

O stille Nacht, o heilige Nacht -
in ungeheizter Stube!
Das Christkind hat sich fortgemacht.
Es schläft das Recht, die Feme wacht.
O stille Nacht, o heilige Nacht,
o Wulle und o Kube! +

O Friedensfest, o Liebesfest -
in Not und Angst Millionen! '
Und wer sich's nicht gefallen lässt,
den setzt die Republike fest.
O Friedensfest, o Liebesfest -
meim Rumfutsch oder Bohnen.

O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
es hungern selbst die Flöhe. -
Doch ob nach Milch der Säugling schreit,
der Stahlhelmbund steht putschbereit. -
O Weihnachtszeit, o selige Zeit -
Hosianna in der Höhe!

(+ geschrieben 1925; Wulle und Kube waren Deutschnationale.)

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