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Wersch (geb. 1964), literaturnische.de
Sentimentalität
das letzte Mal hab ich geweint
als der Säbelzahntiger ausstarb
dieses herrliche geschmeidige grausame
lusthungrige Tier
dessen Fauchen Sturm war
und vorher glaub ich einmal
als alle Saurier verreckten
wegen der Eiszeit
oder wegen eines Sternabsturzes
denn es waren unersetzliche Bestien
und nun weine ich fast
weil du sagst
dass du mich brauchst
ich aber leider
nicht mehr zu
gebrauchen bin
(Dieser Text in ein Bild integriert findet sich in Wortvision.)
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George Gordon Lord Byron (1788-1824)
Als sich mit Schmerzen
Als sich mit Schmerzen,
In Tränen und stumm,
Trennten die Herzen,
Wer sagt, warum? -
Kalt dein Gesicht und blass,
Kälter dein Kuss;
O damals ahnt ich, was
Nun kommen muss.
Es taute der Morgen
So schaurig kühl,
Mich warnte verborgen
Ein Vorgefühl.
Die Schwüre verwehten,
Die Ehre zerbrach,
Dein Ruf ist zertreten
Und mein deine Schmach.
Dein Name umklingt mich
Wie Totengeläut.
Ein Schauer durchdringt mich,
Als liebt ich noch heut.
Wie gut ich dich kannte,
Wem ist es bewusst?
Wer weiß, wie mir brannte
Von Reue die Brust?
Verstohlen besessen,
Verstohlen beweint,
Dass du mich vergessen,
Verraten den Freund!
Nach langem Büßen,
Wenn Jahre herum,
Wie soll ich dich grüßen? -
In Tränen und stumm.
(aus dem Englischen von Paul Heyse)
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Felix Dörmann (1870-1928)
Letztes Finden
Verlassene Geliebte, schwergekränkte,
Noch einmal gib mir freundlich Deine Hand,
Die mir Dein großes Herz in Tagen schenkte,
Wo Du noch viel zu wenig mich gekannt.
Ein heißes Lieben und ein heißes Leiden
Hat unser beider Herzen durchgewühlt,
Sekundenlanges Finden, bittres Scheiden,
Und Reue dann, von Starrsinn unterkühlt.
Erschienen bist Du mir in stillen Stunden,
Wo klar und ruhig floss mein wildes Blut;
Ich wähnte damals, dass ich heimgefunden,
Und Alles, Alles sei nun endlich gut.
Dir aber ist ein böses Wort entglitten,
Ein ungewolltes, doch ein böses Wort;
Umsonst war Deiner Augen scheues Bitten,
Es peitschte mich aus Deinem Bannkreis fort.
Zerschmettert fallen traulich enge Schranken,
In trunknem Toben geht es abgrundwärts;
Wie tolle Rosse rasen die Gedanken
Und sie zerstampfen Dir und mir das Herz...
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Stefan George (1868-1933)
Die blume die ich mir...
Die blume die ich mir am fenster hege
Verwahrt vorm froste in der grauen scherbe
Betrübt mich nur trotz meiner guten pflege
Und hängt das haupt als ob sie langsam sterbe.
Um ihrer frühern blühenden geschicke
Erinnerung aus meinem sinn zu merzen
Erwähl ich scharfe waffen und ich knicke
Die blasse blume mit dem kranken herzen.
Was soll sie nur zur bitternis mir taugen?
Ich wünschte dass vom fenster sie verschwände . .
Nun heb ich wieder meine leeren augen
Und in die leere nacht die leeren hände.
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Otto Erich Hartleben (1864-1905)
Die Dummheit spricht...
Die Dummheit spricht aus deinem zarten Antlitz,
die Dummheit schaut aus deinen tiefen Augen,
und öffnest du das rote, süße Mündchen,
so ists, als öffne sich der Quell der Dummheit!
Drum, wie mich auch dein wunderschöner Leib
berauscht und immer wieder noch berauscht,
einmal muss ich dir doch den Abschied geben:
denn deine Dummheit ist nicht zu ertragen.
- Du glaubst, dem Schmerz der Trennung zu erliegen?
O tröste dich, mein liebes, gutes Mädchen:
den Schmerz zu fühlen, bist du auch zu dumm.
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Der von Kürenberg (um 1150/60)
Ich stand gestern Abend spät und allein...
"Ich stuont mir nehtint spâte an einer zinne,
dô hôrt ich einen ritter vil wol singen
in Kürenbergers wîse al ûz der menigîn.
er muoz mir die lant rûmen, alder ich geniete mich sîn."
Nun brinc mir her vil balde mîn ros, mîn îsengewant,
wan ich muoz einer frouwen rûmen diu lant.
diu will mich des betwingen, daz ich ihr holt sî.
si muoz der mîner minne iemer dárbènde sîn.
"Ich stand gestern Abend spät und allein an einer Zinne,
da hörte ich einen Ritter sehr schön singen
in der Weise des Kürenbergers, herausragend aus der höfischen Menge.
Er muss mir die Länder räumen, oder ich werde mich an ihn heften."
Nun bringe mir sofort mein Ross und meine Rüstung her,
denn ich muss wegen einer Herrin die Länder räumen.
Sie will mich zwingen, dass ich ihr gewogen sei.
Sie wird nach meiner Liebe immer darben müssen.
(aus dem Mittelhochdeutschen von Wersch)
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Martin Opitz (1597-1632)
Ihr Götter...
Ihr Götter, soll mich dann des schnöden Glückes Neid
Nicht lassen? Muss ich mich begeben in den Streit?
Ach lasst mich, lasst mich hier; der Krieg ist nicht von Nöten:
Lasst mich der Liebsten nur, sie kann mich besser töten.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Aus
Nun geh ich stumm an dem vorbei,
Wo wir einst glücklich waren,
Und träume vor mich hin: es sei
Alles wie vor zwei Jahren.
Und du bist schön, und du bist gut,
Und hast so hohe Beine.
Mir wird so loreley zumut,
Und ich bin doch nicht Heine.
Ich klappe meine Träume zu
Und suche mir eine Freude.
Auf dass ich nicht so falsch wie du
Mein Stückchen Herz vergeude.
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Paul Scheerbart (1863-1915)
Abschiedslied
Fahr wohl, du alte Schraube!
Mir warst du sehr egal.
Mir schmeckt die Lebenstraube,
Und dir ist alles Qual!
Tu immer, was du wolltest;
Ich stör dich nicht dabei.
Ich weiß nicht, was du solltest;
Ich lass dich gerne frei.
Und wenn du wieder grolltest,
So wär's mir einerlei.
Schrei nur, mein Liebchen, schrei!
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Paul Scheerbart (1863-1915)
Wenn Du mich nicht mehr lieben willst...
Wenn Du mich nicht mehr lieben willst,
So geh ich zum Kuppelweibe!
Wenn Du mich nicht mehr lieben willst,
So will ich Dich vergessen –
In wilder toller Brunst –
Bei Wein und Saitenkunst –
Da lieb ich, was ich finde –
Verschwinde nur! Verschwinde –
Wenn Du mich nicht mehr lieben willst.
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