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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Abschied
War unersättlich nach viel tausend Küssen,
Und musst mit einem Kuss am Ende scheiden.
Nach herber Trennung tiefempfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,
Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,
Solang ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden;
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden
An fernentwichnen lichten Finsternissen.
Und endlich, als das Meer den Blick umgrenzte,
Fiel mir zurück ins Herz mein heiß Verlangen;
Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.
Da war es gleich, als ob der Himmel glänzte;
Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen,
Als hätt ich alles, was ich je genossen.
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Adalbert Stifter (1805-1868)
Abschied
Nun sind sie vorüber, jene Stunden,
Die der Himmel unsrer Liebe gab,
Schöne Kränze haben sie gebunden,
Manche Wonne floss mit ihnen ab.
Was der Augenblick geboren,
Schlang der Augenblick hinab,
Aber ewig bleibt es unverloren,
Was das Herz dem Herzen gab.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wilhelm Hertz (1835-1902)
Begegnung
Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh;
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh.
Dein Reiz ist lang’ verwelket,
Mir blühet ewig jung
Auf deinen bleichen Wangen
Sel’ge Erinnerung.
Es steht die alte Gasse
Sehnsüchtig vor mir da,
Wo ich am Sonntagmorgen
Zum erstenmal dich sah.
Die abendliche Laube
Ergrünt in goldnem Strahl,
Da ich dein rosig Antlitz
Geküsst zum erstenmal.
Und alle Liebespfade
Eröffnen sich vor mir,
Die ich in blauen Tagen
Gewandelt einst mit dir.
All deiner Liebe denk’ ich,
Der Falschheit denk’ ich nicht!
Mir weht wehmüt’ger Friede
Von deinem Angesicht;
Dein Herz nur möchte’ ich fragen,
Ob es nun glücklich sei;
Da blickst du bang zu Boden,
Ich gehe rasch vorbei.
Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh;
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ernst Blass (1890-1939)
Die Trennung
Als wir uns trennten, fingst du an zu weinen.
Du süßes Mädchen! Tränen und Geleit ...
Ich schwenkte aus dem Zuge langsam meinen
Strohhut nach dir, die blieb, in rotem Kleid.
Es wird schon dunkel. Dörfer, Wälder, Reise ...
Schmerzlich und klanglos ging die Zeit vorbei.
Liebte ich dich? Du warst mir einerlei.
Beim Kaffeetrinken weinte ich noch leise.
Viel Stunden kann noch unser Leben währen
Mit Krampf, Musike, mancher Einsamkeit.
Meist aber füllen einen die Miseren
Und Späße aus, und so vergeht die Zeit.
Grau ist der Abend in der Eisenbahn.
Ich gehe nach dem Speisewagen, essen,
Ich habe Angst: wir werden uns vergessen,
Erblindet, eh wir je uns wiedersahn.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Theodor Storm (1817-1888)
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Du bissest die zarten Lippen...
Du bissest die zarten Lippen wund,
Das Blut ist danach geflossen;
Du hast es gewollt, ich weiß es wohl,
Weil einst mein Mund sie verschlossen.
Entfärben ließt du dein blondes Haar
In Sonnenbrand und Regen;
Du hast es gewollt, weil meine Hand
Liebkosend darauf gelegen.
Du stehst am Herd in Flammen und Rauch,
Dass die feinen Hände dir sprangen;
Du hast es gewollt, ich weiß es wohl,
Weil mein Auge daran gehangen.
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Du bist ein Schatten am Tage...
Du bist ein Schatten am Tage
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.
Wo ich mein Zelt aufschlage,
Da wohnst du bei mir dicht;
Du bist mein Schatten am Tage
Und in der Nacht mein Licht.
Wo ich auch nach dir frage,
Find' ich von dir Bericht,
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.
Du bist ein Schatten am Tage,
Doch in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage
Und stirbst im Herzen nicht.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wilhelm Müller (1794-1827)
Erstarrung
Ich such' im Schnee vergebens
Nach ihrer Tritte Spur,
Hier, wo wir oft gewandelt
Selbander durch die Flur.
Ich will den Boden küssen,
Durchdringen Eis und Schnee
Mit meinen heißen Tränen,
Bis ich die Erde seh'.
Wo find' ich eine Blüte,
Wo sind' ich grünes Gras?
Die Blumen sind erstorben,
Der Rasen sieht so blass.
Soll denn kein Angedenken
Ich nehmen mit von hier?
Wenn meine Schmerzen schweigen,
Wer sagt mir dann von ihr?
Mein Herz ist wie erfroren,
Kalt starrt ihr Bild darin:
Schmilzt je das Herz mir wieder,
Fließt auch das Bild dahin.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Eduard Mörike (1804-1875)
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Früh im Wagen
Es graut vom Morgenreif
In Dämmerung das Feld,
Da schon ein blasser Streif
Den fernen Ost erhellt;
Man sieht im Lichte bald
Den Morgenstern vergehn,
Und doch am Fichtenwald
Den vollen Mond noch stehn:
So ist mein scheuer Blick,
Den schon die Ferne drängt,
Noch in das Schmerzensglück
Der Abschiedsnacht versenkt.
Dein blaues Auge steht
Ein dunkler See vor mir,
Dein Kuss, dein Hauch umweht,
Dein Flüstern mich noch hier.
An deinem Hals begräbt
Sich weinend mein Gesicht,
Und Purpurschwärze webt
Mir vor dem Auge dicht.
Die Sonne kommt; – sie scheucht
Den Traum hinweg im Nu,
Und von den Bergen streicht
Ein Schauer auf mich zu.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Ich habe dich so lieb
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.
Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.
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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
Lied
Tot ist für immer jene Zeit,
Versunken und begraben!
Wir schaun zurück
Mit stierem Blick
Auf unsrer Hoffnungsträume Glück,
Die in des Lebens finsterm Leid
Wir trüb bestattet haben.
Der Liebe Strom entrauschte weit -
Wir schaun ihm nach vergebens!
Doch einsam hier
Noch stehn wir,
Denkmälern gleich entschwundner Zeit,
Die rasch entglitt mit Lust und Leid
Im Frührotschein des Lebens.
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Georgi Kratochwil (geb. 1979)
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Morgens um drei
Ich bin wie ein Mensch,
der morgens um drei
zum Fenster hinaussieht.
Und nichts ist zu sehen,
und nichts ist zu hören,
Gedanken umkreisen
vergangenes Glück.
Ich bin wie ein Mensch,
der morgens um drei
zum Fenster hinaussieht
und unwiderstehlich
das Drängen verspürt,
den Kopf durch die Scheibe zu stoßen.
Und du? Fühlst dich gut?
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Felix Dörmann (1870-1928)
Müde Liebe
Wir liebten uns mit jener müden Liebe,
Die weich und zart die kranken Seelen eint,
Wir liebten uns mit jener müden Liebe,
Der jeder Kuss schon als brutal erscheint.
Die Hände kaum in leisem Druck sich fanden
Und bebten scheu vor ihrer Glut zurück;
Die Hände kaum in leisem Druck sich fanden,
Ein Blick, Ein Wort war unser letztes Glück.
Wir liebten uns mit jener müden Liebe...
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Ada Christen (1839-1901)
Nichts mehr
Nicht mehr die heißen, süßen Küsse,
Nicht mehr die Worte mild und warm,
Nicht mehr den treuen Blick der Augen,
Nicht mehr den Druck von deinem Arm.
Nichts mehr von allen jenen Wonnen
Die Liebe hat und Liebe giebt,
Nichts will ich - um noch fortzuleben -
Sag' nur, dass du mich einst geliebt!
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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Sag, wo ist dein schönes Liebchen...
"Sag, wo ist dein schönes Liebchen,
Das du einst so schön besungen,
Als die zaubermächt'gen Flammen
Wunderbar dein Herz durchdrungen?"
Jene Flammen sind erloschen,
Und mein Herz ist kalt und trübe,
Und dies Büchlein ist die Urne
Mit der Asche meiner Liebe.
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Emanuel Geibel (1815-1884)
Schwerer Abschied
Niemals werd' ich das vergessen,
Wie dein Arm mich noch umfing,
Jedes Wort beim bangen Pressen
Dir in Tränen unterging.
Ach, wir lernten erst im Scheiden
Unsre Liebe ganz verstehn,
Und doch war's uns beiden, beiden:
's ist auf Nimmerwiedersehn!
Seit der Stunde jener Schmerzen
Noch den Druck von deiner Hand
Fühl' ich kühl auf meinem Herzen,
Wie ich damals ihn empfand.
Und wenn alles schweigt um mich,
Mir aufs Bett die Sterne scheinen,
Ist mir oft, ich höre dich
In der Ferne weinen.
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