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Charlotte von Ahlefeld (1781-1849)
Sehnsucht
Im Frühling
Wenn Philomelens bange Liebesklage
Mir neu ertönt im leisen Pappelhain,
Da denk' ich sehnend der vergangnen Tage,
Und seufze schmerzlich: ach, ich bin allein!
O fühltest Du mit mir das warme Leben,
Das neu erwacht, rings um mich her sich regt,
Das Leben der Natur, die mit dem ew'gen Streben
Im Jugendglanz sich jetzt empor bewegt.
Denn zwiefach schön war mir des Jahres Morgen
Mit seinem holden Lächeln neben Dir.
O banne schnell der Liebe leise Sorgen,
Und eil' auf ihren Flügeln her zu mir.
Dann will ich Dir die schönsten Kränze binden,
Die mir des Frühlings bunter Segen beut.
Gesellig soll sich Efeu um sie winden,
Das als der Treue Sinnbild Dich erfreut.
Nur dann, wenn ich Dich freudig wiedersehe,
Entschlummert sanft in mir der Sehnsucht Schmerz,
Er flieht mich nur in Deiner teuern Nähe,
Denn Du allein beglückst und füllst mein Herz.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Arnim/Brentano (Hrsg.)
Wenn ich ein Vöglein wär...
Wenn ich ein Vöglein wär
Und auch zwei Flüglein hätt,
Flög ich zu dir;
Weils aber nicht kann sein
bleib ich allhier.
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bei dir,
Und red’ mit dir;
Wenn ich erwachen tu,
Bin ich allein.
Es vergeht keine Stund in der Nacht,
Da mein Herz nicht erwacht,
Und an dich denkt,
Dass du mir viel tausendmal
Dein Herze geschenkt.
(aus: Des Knaben Wunderhorn, erschienen 1806-08)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hugo Ball (1886-1927)
Abschied
Sag mir, dass du dich im Föhnwind sehnst
Und dass du trauern würdest,
Wenn ich ginge.
Sag mir, dass diese Tage schön sind
Und dass du weinen wirst,
Wenn ich nicht singe.
Sag mir, dass du dem Leben gut bist.
Sag meiner Stimme,
Dass sie nie verwehe...
Und dass du heiter und voll frohen Mut bist,
Auch wenn ich lange Zeit
Dich nicht mehr sehe.
Sag mir, dass ich ein töricht Kind bin,
Und streichle mich, wie eine junge Meise.
Sag mir, dass ich zu dir zurückfind,
Auch wenn die Nächte dunkel sind,
Durch die ich reise.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Rudolf G. Binding (1867-1938)
Morgendliche Trennung
Dämmerung. Frühgrau. Es tropfen die Bäume.
Tief duftet die Welt von der Liebe der Nacht.
Noch schaust du mir nach von der Pforte des Gartens.
Doch da ich mich wende verschlingt dich das Grau.
O heimliche Morgen der wahrhaft Geliebten.
O tieferer Duft deiner Liebe in mir.
Ich gehe dahin so leicht wie ein Seliger.
Mein Atem ist süß und mein Auge ist weit.
Schon schweben die Adler besonnt in der Reine:
So ende denn Nacht! so beginne denn Tag!
Ich will deine Liebe dem Morgen zutragen
und ewigen Tagen – der Liebe nicht müd.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Adelbert von Chamisso (1781-1838)
Küssen will ich, ich will küssen
Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde,
Ach! ich habe dich so lieb!
Freund, noch einen Kuss mir gib.
Werden möcht ich sonst zum Dieb,
Wärst du karg in dieser Stunde;
Freund, noch einen Kuss mir gib,
Einen Kuss von deinem Munde.
Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?
Nimmer ward es noch zu viel,
Küssen ist ein süßes Spiel.
Küsse, sonder Zahl und Ziel,
Geben, nehmen, wiedergeben,
Küssen ist ein süßes Spiel,
Meinst du nicht, mein süßes Leben?
Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.
Ach wie schnelle läuft die Uhr,
Gibst du einen Kuss mir nur.
Ich verlange keinen Schwur,
Wenn es treu die Lippen meinen,
Gibst du einen Kuss mir nur,
Tausend geb ich dir für einen.
Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.
Stunden, wo wir selig sind,
Flüchtig, eilig wie der Wind!
Scheiden schon, ach so geschwind!
Oh, wie werd ich weinen müssen!
Flüchtig, eilig wie der Wind,
Ist die Zeit, wann wir uns küssen.
Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!
Scheiden, meiden, welche Pein!
Muss es denn geschieden sein?
Lebe wohl, und denke mein,
Mein in Freuden und in Leiden,
Muss es denn geschieden sein,
Noch nur einen Kuss zum Scheiden!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Adelbert von Chamisso (1781-1838)
Morgentau
Wir wollten mit Kosen und Lieben
Genießen der köstlichen Nacht.
Wo sind doch die Stunden geblieben?
Es ist ja der Hahn schon erwacht.
Die Sonne, die bringt viel Leiden,
Es weinet die scheidende Nacht;
Ich also muss weinen und scheiden,
Es ist ja die Welt schon erwacht.
Ich wollt, es gäb keine Sonne,
Als eben dein Auge so klar,
Wir weilten in Tag und in Wonne,
Und schliefe die Welt immerdar.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Max Dauthendey (1867-1918)
Die Sonne sank...
Es wird so dunkel, und mir wird so bang.
Die Trennung von der Liebsten ist so lang.
Ich zittre, liege still und atme kaum, -
Ein Blitz fiel geisternd durch den Himmelsraum.
Ich bin so schreckhaft wie ein Wild im Wald.
Die Sonne sank; und kehrt sie wieder bald,
So hab' ich nur das eine stets gedacht:
Fern von der Liebsten ist es ewig Nacht.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Arno Holz (1863-1929)
Das Scheiden, ach das Scheiden...
Das Scheiden, ach das Scheiden,
Wer hat das nur erdacht
Und ein so schweres Leiden
Mir übers Herz gebracht?
Und wär's ein Kräutelein,
Ich nähm mein Messerlein
Und wollte flink zerschneiden
Die bösen Würzelein.
Ich hörte von den Weiben
Herzliebe und Herzleid,
Wo Herzelieb mag bleiben,
Ist Herzeleid nicht weit.
Herzliebe war uns hold
Und fluchs kam angetrollt,
Die Schwester zu vertreiben,
Herzleide, die ihr grollt.
Aus Tor und Turm und Mauern
Zieh ich hinab das Tal
Und blicke noch in Trauern
Zurück zum letzten Mal.
Horch, wie die Winde gehn,
Schau, wie die Blätter wehn -
Ach Gott, wie lang wird's dauern,
Bis wir uns wiedersehn!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Nikolaus Lenau (1802-1850)
An die Entfernte
I.
Diese Rose pflück’ ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt ich sie so gerne!
Doch bis ich zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.
Nie soll weiter sich ins Land
Lieb von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Lässt die Rose tragen;
Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süßer Schall
Wandert mit dem Weste.
II.
Rosen fliehen nicht allein,
Und die Lenzgesänge,
Auch dein Wangenrosenschein,
Deine süßen Klänge.
O, dass ich, ein Tor, ein Tor,
Meinen Himmel räumte!
Dass ich einen Blick verlor,
Einen Hauch versäumte!
Rosen wecken Sehnsucht hier,
Dort die Nachtigallen
Mädchen, und ich möchte dir
In die Arme fallen!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hermann Löns (1866-1914)
Abschied
Das alte Lied, das alte Leiden,
Das jeden Menschen einst betrübt:
Ade, ade, jetzt muss ich scheiden
Von dir, die ich so sehr geliebt.
Wer kann es sagen, kann es wissen,
Ob er die Lieben wiedersieht;
Ein letzter Gruß, ein letztes Küssen,
Das alte Leid, das alte Lied.
Nun reich' mir deine beiden Hände,
Den letzten Kuss, leb wohl, ade!
So lass mich los und mach' ein Ende -
Wer weiß, ob ich dich wiederseh ...
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Johann Martin Miller (1750-1814)
Trennung
Nur einen Tag entreiß' ich mich,
Du holde Seele, dir,
Und doch trübt meine Seele sich,
Und dämmrig wird es mir.
Gott, welch ein Schicksal, rief es mich
In fernre Gegenden,
Sollt' ich, du liebe Seele, dich
Auf längre Zeit nicht sehn!
O Trennung, Trennung! wende sie,
Du Gott der Liebe, ab!
Des Lebens Wechsel trenn' uns nie,
Auch trenn' uns nicht das Grab!
Lass unsre Seelen einst, o Gott,
Mit einem Hauch verwehn!
Lass uns vereint noch nach dem Tod
Vor deinem Throne stehn!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php
An Luise
Ists möglich, ferne von der Süßen
So fort zu leben, so verbannt?
Nur über Berg und Tal zu grüßen,
Und nicht ein Blick, nicht eine Hand?
Da ist es wahrlich oft ein Jammer
So manchen lieben, langen Tag,
Bis mir bei Nacht auf meiner Kammer
Einmal ihr Geist erscheinen mag.
Sie setzt sich lächelnd zu mir nieder,
Es brennt ein ruhig Licht dabei,
Sie sagt mir alte, gute Worte wieder
Und sagt mir, dass sie meine sei!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
Trennung
Noch einen mir, der Kraft mir leihe!
Gib, Weib, bevor ich scheiden muss,
Für Leben mir und Tod die Weihe
In einem langen, heil'gen Kuss!
Lass brennend ihn von deinem Munde
Mir bis ins Herz des Herzens glühn,
Und duftend glänze diese Stunde
Gleich Rosen, die auf Gräbern blühn!
Um unsre selig-süßen Schmerzen
Soll sie, und um des Abschieds Qual,
Aufflammen halb wie Hochzeitskerzen
Und halb wie Leichenfackelstrahl;
Und fern noch in der Trennung Wehe
Mir leuchte sie, wenn ich verirrt
Am Rand des jähen Abgrunds stehe
Und alles um mich finster wird.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ernst Stadler (1883-1914)
In der Frühe
Die Silhouette deines Leibs steht in der Frühe dunkel vor dem trüben Licht
Der zugehangnen Jalousien. Ich fühl, im Bette liegend, hostiengleich mir zugewendet dein Gesicht.
Da du aus meinen Armen dich gelöst, hat dein geflüstert »Ich muß fort« nur an die fernsten Tore meines Traums gereicht -
Nun seh ich, wie durch Schleier, deine Hand, wie sie mit leichtem Griff das weiße Hemd die Brüste niederstreicht ...
Die Strümpfe ... nun den Rock ... das Haar gerafft ... schon bist du fremd, für Tag und Welt geschmückt ...
Ich öffne leis die Türe ... küsse dich ... du nickst, schon fern, ein Lebewohl ... und bist entrückt.
Ich höre, schon im Bette wieder, wie dein sachter Schritt im Treppenhaus verklingt,
Bin wieder im Geruche deines Körpers eingesperrt, der aus den Kissen strömend warm in meine Sinne dringt.
Morgen wird heller. Vorhang bläht sich. Junger Wind und erste Sonne will herein.
Lärmen quillt auf ... Musik der Frühe ... sanft in Morgenträume eingesungen schlaf ich ein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Einen Brief soll ich schreiben...
Einen Brief soll ich schreiben
Meinem Schatz in der Fern;
Sie hat mich gebeten,
Sie hätt’s gar zu gern.
Da lauf ich zum Krämer,
Kauf Tint’ und Papier
Und schneid mir ein’ Feder,
Und sitz nun dahier.
Als wir noch mitsammen
Uns lustig gemacht,
Da haben wir nimmer
Ans Schreiben gedacht.
Was hilft mir nun Feder
Und Tint’ und Papier!
Du weißt, die Gedanken
Sind allzeit bei dir.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Walt Whitman (1819-1892)
Aus dem wallenden Ozean der Menge
Aus dem wallenden Ozean der Menge kam ein Tropfen sanft zu mir,
flüsternd: Ich liebe dich, bald werde ich sterben,
ich bin einen langen Weg gereist, nur um dich zu sehen, zu berühren,
weil ich nicht sterben konnte, ehe ich dich einmal gesehen habe,
weil ich fürchtete, dich danach zu verlieren.
Nun haben wir uns getroffen, haben uns gesehen, wir sind geborgen,
kehren in Frieden zum Ozean zurück, meine Liebe,
auch ich bin Teil des Ozeans, meine Liebe, wir sind nicht völlig getrennt,
Sieh das gewaltige Rund, den Zusammenhang von allem, wie vollkommen!
Aber für mich, für dich bedeutet das unaufhaltsame Meer Trennung,
trägt uns für eine Weile auseinander, doch kann uns nicht für immer auseinander tragen;
sei nicht ungeduldig - eine kurze Weile - wisse, dass ich die Luft, den Ozean und das Land grüße,
jeden Tag bei Sonnenuntergang um deinetwillen, meine Liebe.
(aus dem Englischen von Jim Doss und Wersch)
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Wolfram von Eschenbach (etwa 1170-1220)
Seine Klauen hat er durch die Wolken geschlagen...
"Seine Klauen
hat er durch die Wolken geschlagen,
er steigt auf mit großer Kraft,
ich sehe ihn grauen
taghaft, wie er tagen will,
den Tag, der ihm Zweisamkeit
entwenden will, dem werten Mann,
den ich vorsichtig hineingelassen habe.
Ich bringe ihn von hier fort, wenn ich es vermag.
Seine Vollkommenheit verlangt das von mir."
"Wächter, was du singst,
nimmt mir alle Freude
und vermehrt meine Klagen.
Du bringst eine Nachricht,
die mir leider gar nicht behagt,
immer am frühen Morgen.
Die sollst du mir gänzlich verschweigen!
Das befehle ich deiner Loyalität.
Ich werde dich bestens dafür belohnen,
auf dass mein Geliebter hier bleiben darf."
"Er muss hinweg
bald und ohne sich zu säumen.
Verabschiede ihn, schöne Frau.
Lass ihn dich weiterhin
so heimlich lieben,
dass er Ansehen und Leben behält.
Er hat sich in meinen Schutz begeben,
dass ich ihn rechtzeitig wieder fortbringe.
Jetzt ist Tag. Nacht war es, als
mit Umarmungen dein Kuss ihn mir abgewonnen hat."
"Was immer dir gefällt,
Wächter, singe, aber lass den hier,
der Liebe brachte und Liebe empfing.
Von deinem Schall
sind wir beide schon erschrocken,
obwohl der Morgenstern noch gar nicht aufgegangen war
über ihn, der für die Liebe gekommen ist,
und noch überhaupt kein Tageslicht leuchtete.
Du hast ihn mir oft genommen
aus bloßen Armen, aber nicht aus dem Herzen."
Wegen der Blicke,
die der Tag durch das Fenster tat,
und als der Wächter warnend gesungen hatte,
musste sie erschrecken
um den, der bei ihr war.
Sie drängte ihre Brüstelein an seine Brust.
Dem Ritter kam da seine Kraft nicht abhanden.
Davon hatte ihn das Lied des Wächters abwenden wollen.
Der Abschied rückte immer näher,
gab ihnen mit Küssen und mehr den Liebeslohn.
(aus dem Mittelhochdeutschen von Wersch )
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