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Einsamkeit im Gedicht – Dichter 1 2 · Titel 1 2 · Beliebteste · Neueste

Michail Lermontow (1814-1841)

Strophen

Einsam tret ich auf den Weg, den leeren,
Der durch Nebel leise schimmernd bricht;
Seh die Leere still mit Gott verkehren
Und wie jeder Stern mit Sternen spricht.

Feierliches Wunder: hingeruhte
Erde in der Himmel Herrlichkeit...
Ach, warum ist mir so schwer zumute?
Was erwart ich denn? Was tut mir leid?

Nichts hab ich vom Leben zu verlangen
Und Vergangenes bereu ich nicht:
Freiheit soll und Friede mich umfangen
Im Vergessen, das der Schlaf verspricht.

Aber nicht der kalte Schlaf im Grabe.
Schlafen möcht ich so jahrhundertlang,
Dass ich alle Kräfte in mir habe
Und in ruhiger Brust des Atems Gang.

Dass mir Tag und Nacht die süße, kühne
Stimme sänge, die aus Liebe steigt,
Und ich wüsste, wie die immergrüne
Eiche flüstert, düster hergeneigt.

(aus dem Russischen von Rainer Maria Rilke)

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Li Bo (701-762)

Selbstvergessenheit

Der Strom - floss,
Der Mond vergoss,
Der Mond vergaß sein Licht - und ich vergaß
Mich selbst als ich so saß
Beim Weine.
Die Vögel waren weit,
Das Leid war weit,
Und Menschen gab es keine.

(aus dem Chinesischen von Klabund)

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Hermann von Lingg (1820-1905)

Einsamkeit

Wie lang schon trat niemand mehr ein
In dieses stille Zimmer;
Nur hier das bisschen Sonnenschein
Glänzt heute noch wie immer.

Und alles ringsum aufgeräumt
Und wie ich's sonst gefunden;
Die Wanduhr nur steht still und träumt
Von längst vergangnen Stunden.

Wie still es ist! Nur dann und wann
Der Sommerfliege Summen.
Hier saß ich oft allein und sann
In innerem Verstummen.

Entmutigt sein, wenn alles hofft,
Wenn alles lebt, gebunden –
Ich kenne sie, ich hab' sie oft
Gefühlt, die bittern Stunden!

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Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)

Spürst du es nicht...

Spürst du es nicht, wenn ich um dich weine,
bist du wirklich so weit?
Und bist mir doch das Schönste, das Eine,
um das ich sie trage, die Einsamkeit.

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Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php

Verborgenheit

Lass, o Welt, o lass mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Lasst dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!

Was ich traure, weiß ich nicht,
Es ist unbekanntes Wehe;
Immerdar durch Tränen sehe
Ich der Sonne liebes Licht.

Oft bin ich mir kaum bewusst,
Und die helle Freude zücket
Durch die Schwere, so mich drücket
Wonniglich in meiner Brust.

Lass, o Welt, o lass mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
Lasst dies Herz alleine haben
Seine Wonne, seine Pein!

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Christian Morgenstern (1871-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/morgenstern.php

Am Meer

Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern,
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.

Keine Frage
von Menschenlippen
fordert Antwort.
Keine Rede
noch Gegenrede
macht dich gemein.
Nur mit Himmel und Erde
hältst du
einsame Zwiesprach.
Und am liebsten
befreist du
dein stilles Glück,
dein stilles Weh
in wortlosen Liedern.

Wie ist dir nun,
meine Seele?
Von allen Märkten
des Lebens fern
darfst du nun ganz
dein selbst genießen.

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Erich Mühsam (1878-1934)

Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche...

Warum ich Welt und Menschheit nicht verfluche? -
Weil ich den Menschen spüre, den ich suche!

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Wilhelm Müller (1794-1827)

Einsamkeit

Wie eine trübe Wolke
Durch heitre Lüfte geht,
Wann in der Tanne Wipfel
Ein mattes Lüftchen weht:

So zieh' ich meine Straße
Dahin mit trägem Fuß,
Durch helles, frohes Leben,
Einsam und ohne Gruß.

Ach, dass die Lust so ruhig!
Ach, dass die Welt so licht!
Als noch die Stürme tobten,
War ich so elend nicht.

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Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Der Einsame

Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein - Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann andre führen.
Verhasst ist mirs schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
in holder Irrnis grüblerisch zu hocken,
von ferne her mich endlich heimzulocken,
mich selber zu mir selber - zu verführen.

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Francesco Petrarca (1304-1374)

Einsam und sinnend zieh' ich durch die Lande...

Einsam und sinnend zieh' ich durch die Lande,
Die ödesten, mit langsam trägem Schritte,
Und ringsum schweift zur Flucht mein Blick, wo Tritte
Der Menschen irgendwo zu sehn im Sande.
Nicht bin ich sonst zu schützen mich im Stande
Vor dem, was in der Späher Kreis ich litte,
Weil meines Wandels freudelose Sitte
Nach außen Kunde gibt vom innern Brande;
So dass ich glaub', es kennen die Gefilde,
Strom, Berg' und Wälder meines Lebens Schwäche,
Die vor der Menschen Augen ich versteckte.
Doch weiß ich nicht so raue Pfad' und wilde
Zu suchen, welche Amor nicht entdeckte,
Dass ich mit ihm, er sich mit mir bespreche.

(aus dem Italienischen von Carl Förster)

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/rilke.php

Herbsttag

Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

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Otto Roquette (1824-1896)

Sei einsam...

Sei einsam, treibt dich dein Gemüt
Dich selber zu bezwingen!
Sei einsam, wenn dein Herz erglüht
Ein höchstes zu vollbringen!

Doch einsam fliehn aus der argen Welt
Weil du dich dünkst gerechter,
Nur deinem lieben Selbst gesellt,
Das macht dich alle Tag schlechter.

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Friedrich Rückert (1788-1866)

Friede mit der Welt

Lebe von der Welt geschieden,
Und du lebst mit ihr in Frieden.
Willst du dich mit ihr befassen,
Höre, was dir widerfährt!
Du musst lieben oder hassen;
Keines ist der Mühe wert.

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Sappho (um 600 v.u.Z.)

Untergegangen sind...

Untergegangen sind der Mond
Und die Plejaden. Es ist Mitternacht,
Die Stunden vergehen.
Ich aber schlafe allein.

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Paul Scheerbart (1863-1915)

Die Welt ist laut ...

Die Welt ist laut,
Und ich bin still!
Erloschen sind die Flammen.

Ich kann nicht mehr,
So wie ich will!
Den Rausch muss ich verdammen.

Die Welt ist laut,
Ich möcht so viel!
Doch bring ich's nicht zusammen.

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August Stramm (1874-1915)

Dämmerung

Hell weckt Dunkel
Dunkel wehrt Schein
Der Raum zersprengt die Räume
Fetzen ertrinken in Einsamkeit!
Die Seele tanzt
Und
Schwingt und schwingt
Und
Bebt im Raum
Du!
Meine Glieder suchen sich
Meine Glieder kosen sich
Meine Glieder
Schwingen sinken sinken ertrinken
In
Unermesslichkeit
Du!

Hell wehrt Dunkel
Dunkel frisst Schein!
Der Raum ertrinkt in Einsamkeit
Die Seele
Strudelt
Sträubet
Halt!
Meine Glieder
Wirbeln
In
Unermesslichkeit
Du!

Hell ist Schein!
Einsamkeit schlürft!
Unermesslichkeit strömt
Zerreißt
Mich
In
Du!
Du!

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Georg Trakl (1887-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/georg_trakl.php

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.

Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.

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