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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php
Abschied
O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächtger Aufenthalt.
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäftge Welt;
Schlag noch einmal die Bogen,
Um mich, du grünes Zelt.
Wenn es beginnt zu tagen,
Die Erde dampft und blinkt,
Die Vögel lustig schlagen,
Dass dir dein Herz erklingt:
Da mag vergehn, verwehen
Das trübe Erdenleid,
Da sollst du auferstehen
In junger Herrlichkeit!
Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben,
Und was des Menschen Hort.
Ich habe treu gelesen
Die Worte schlicht und wahr,
Und durch mein ganzes Wesen
Wards unaussprechlich klar.
Bald werd ich dich verlassen,
Fremd in der Fremde gehn,
Auf buntbewegten Gassen
Des Lebens Schauspiel sehn;
Und mitten in dem Leben
Wird deines Ernsts Gewalt
Mich Einsamen erheben,
So wird mein Herz nicht alt.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Rückert (1788-1866)
Aus der Jugendzeit
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar;
O wie liegt so weit, o wie liegt so weit,
Was mein einst war!
Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang,
Die den Herbst und Frühling bringt;
Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang
Das jetzt noch klingt?
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
O du Kindermund, o du Kindermund,
Unbewusster Weisheit froh,
Vogelsprachekund, vogelsprachekund
Wie Salomo!
O du Heimatflur, o du Heimatflur,
Lass zu deinem heil’gen Raum
Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur
Entfliehn im Traum!
Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
War die Welt mir voll so sehr;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.
Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt,
Und der leere Kasten schwoll,
Ist das Herz geleert, ist das Herz geleert,
Wird’s nie mehr voll.
Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt
Dir zurück, wonach du weinst;
Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt
Im Dorf wie einst:
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Charles Lamb (1775-1834)
Die alten bekannten Gesichter
Ich hatte Gespielen, ich hatte Gefährten
In den Tagen der Kindheit, in der fröhlichen Schulzeit;
All, all sind sie fort, die alten bekannten Gesichter.
Ich habe gelacht, ich habe geschwärmt,
Spät getrunken, spät gegessen mit meinen Genossen;
All, all sind sie fort, die alten bekannten Gesichter.
Ich habe geliebt, wie war sie schön,
Ihre Tür ist verschlossen; nie seh ich sie wieder;
All, all sind sie fort, die alten bekannten Gesichter.
Einen Freund hatt ich, wer hat ihn besser,
Undankbar verließ ich ihn plötzlich; verließ ihn
Zu denken der alten bekannten Gesichter.
Wie ein Geist durchschritt ich das Tal meiner Kindheit,
Eine Wüste schien mir die Welt, die durchirren
Ich musste, zu suchen die alten Gesichter.
Mein Freund, du mehr als Bruder, o wärst du
Geboren im Haus meines Vaters, so könnten
Wir reden von den alten bekannten Gesichtern.
Wie einige starben, mich andre verließen,
Wie man andre mir nahm; - ach, alle schieden.
All, all sind sie fort, die alten bekannten Gesichter.
(aus dem Englischen von Ferdinand Freiligrath)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php
Die Heimat
Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom
Von fernen Inseln, wo er geerntet hat;
Wohl möcht auch ich zur Heimat wieder;
Aber was hab ich, wie Leid, geerntet? –
Ihr holden Ufer, die ihr mich auferzogt,
Stillt ihr der Liebe Leiden? ach! gebt ihr mir,
Ihr Wälder meiner Kindheit, wann ich
Komme, die Ruhe noch Einmal wieder?
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php
Die Heimat
An meinen Bruder
Denkst du des Schlosses noch auf stiller Höh?
Das Horn lockt nächtlich dort, als ob's dich riefe,
Am Abgrund grast das Reh,
Es rauscht der Wald verwirrend aus der Tiefe -
O stille, wecke nicht, es war als schliefe
Da drunten ein unnennbar Weh.
Kennst du den Garten? – Wenn sich der Lenz erneut,
Geht dort ein Mädchen auf den kühlen Gängen
Still durch die Einsamkeit,
Und weckt den leisen Strom von Zauberklängen,
Als ob die Blumen und die Bäume sängen
Rings von der alten schönen Zeit.
Ihr Wipfel und ihr Bronnen rauscht nur zu!
Wohin du auch in wilder Lust magst dringen,
Du findest nirgends Ruh,
Erreichen wird dich das geheime Singen, –
Ach, dieses Bannes zauberischen Ringen
Entflieh'n wir nimmer, ich und du!
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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
Die Wanderer der Welt
Sag mir, Stern, des helle Pracht
Sich im Feuerflug entfacht,
Welche Höhle du der Nacht
Wählst zur Ruhestelle?
Sag mir, Mond, der bleich und grau
Pilgert durch das ew'ge Blau,
Wo ist in der Himmelsau
Deine Heimatszelle?
Müder Wind, der ohne Rast
Flieht, der Welt verstoßner Gast:
Ob du wohl ein Nestchen hast
Noch auf Baum und Welle?
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php
Heimweh
Anders wird die Welt mit jedem Schritt,
Den ich weiter von der Liebsten mache;
Mein Herz, das will nicht weiter mit.
Hier scheint die Sonne kalt ins Land,
Hier deucht mir alles unbekannt,
Sogar die Blumen am Bache!
Hat jede Sache
So fremd eine Miene, so falsch ein Gesicht.
Das Bächlein murmelt wohl und spricht:
Armer Knabe, komm bei mir vorüber,
Siehst auch hier Vergissmeinnicht!
– Ja, die sind schön an jedem Ort,
Aber nicht wie dort.
Fort, nur fort!
Die Augen gehn mir über!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hans Munch (geb. 1958)
Heimweh
So träumerisch blaute der Tag,
So warm flaute die Luft,
Und klarer als je schien das Licht,
Und alles trug ein Duft,
Als ob die Sehnsucht Blume wär',
atmete ich ihr Weh.
Mir war, als spräche tief in mir
leis eine Stimme: Geh!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ernst Moritz Arndt (1769-1860)
Heimweh nach Rügen
O Land der dunklen Haine,
O Glanz der blauen See,
O Eiland, das ich meine,
Wie tut's nach dir mir weh!
Nach Fluchten und nach Zügen
Weit über Land und Meer,
Mein trautes Ländchen Rügen,
Wie mahnst du mich so sehr!
O wie, mit goldnen Säumen
Die Flügel rings umwebt,
Mit Märchen und mit Träumen
Erinnrung zu mir schwebt!
Sie hebt von grauen Jahren
Den dunkeln Schleier auf,
Von Wiegen und von Bahren,
Und Tränen fallen drauf.
O Eiland grüner Küsten!
O bunter Himmelschein!
Wie schlief an deinen Brüsten
Der Knabe selig ein!
Die Wiegenlieder sangen
Die Wellen aus der See,
Und Engelharfen klangen
Hernieder aus der Höh'.
Und deine Heldenmäler
Mit moosgewobnem Kleid,
Was künden sie, Erzähler
Aus tapfrer Väter Zeit,
Von edler Tode Ehren
Auf flücht'gem Segelross,
Von Schwertern und von Speeren
Und Schildesklang und -stoß?
So locken deine Minnen
Mit längst verklungnem Glück
Den grauen Träumer hinnen
In alter Lust zurück.
O heißes Herzenssehnen!
O goldner Tage Schein
Von Liebe reich und Tränen!
Schon liegt mein Grab am Rhein.
Fern, fern vom Heimatlande
Liegt Haus und Grab am Rhein.
Nie werd' an deinem Strande
Ich wieder Pilger sein.
Drum grüß' ich aus der Ferne
Dich, Eiland lieb und grün:
Sollst unterm besten Sterne
Des Himmels ewig blühn!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php
In der Fremde
Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter sind lange tot,
Es kennt mich dort keiner mehr.
Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch, und über mir
Rauschet die schöne Waldeinsamkeit
Und keiner mehr kennt mich auch hier.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Theodor Vischer (1807-1887)
Ist mancher so gegangen
Ist mancher so gegangen
Und hat zurückgedacht,
Wie er mit Kinderwangen
Hier einst gespielt, gelacht.
Wird mancher noch so gehen
Und denken so zurück
Und wird sich selber sehen
In seinem Kinderglück.
Wird stehen, wie ich heute,
An seinem Vaterhaus,
Wo nun fremde Leute
Zum Fenster schaun heraus,
Wird suchen und wird spähen,
Am hellen Tage blind,
Wird meinen, er müsse sie sehen,
Die alle nicht mehr sind.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Liegt eine Zeit zurück
Liegt eine Zeit zurück in meinem Leben -
Wie die verlassne Heimat schaut sie aus -,
Wohin im Heimweh die Gedanken streben;
Du kennst sie wohl; auch du warst dort zu Haus.
O folge mir, und lass dich heimatwärts
Durch mein Gedicht zu lieben Stunden bringen,
Die alte Zeit mit neu erregten Schwingen
Noch einmal schlagen an dein friedlich Herz!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Robert Burns (1759-1796)
Mein Herz ist im Hochland...
Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier;
Mein Herz ist im Hochland, im waldgen Revier.
Da jag ich das Rotwild, da folg ich dem Reh,
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.
Mein Norden, mein Hochland, lebt wohl, ich muß ziehn;
Du Wiege von allem, was stark und was kühn,
Doch wo ich auch wandre und wo ich auch bin,
Nach Hügeln des Hochlands steht allzeit mein Sinn.
Lebt wohl, ihr Gebirge mit Häuptern voll Schnee,
Ihr Schluchten, ihr Täler, du schäumende See,
Ihr Wälder, ihr Klippen, so grau und bemoost,
Ihr Ströme, die zornig durch Felsen ihr tost.
Mein Herz ist im Hochland, mein Herz ist nicht hier;
Mein Herz ist im Hochland, im waldgen Revier.
Da jag ich das Rotwild, da folg ich dem Reh,
Mein Herz ist im Hochland, wo immer ich geh.
(aus dem Englischen von Ferdinand Freiligrath)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Mir träumt’...
Mir träumt’, ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Tal hinaus,
Die Luft mit lindem Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mir über Brust und Haupt.
Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond vom Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,
Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war vom Schnee,
Mein Haar vom Alter weiß.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Nikolaus Lenau (1802-1850)
Seemorgen
Der Morgen frisch, die Winde gut,
Die Sonne glüht so helle,
Und brausend geht es durch die Flut;
Wie wandern wir so schnelle!
Die Wogen stürzen sich heran;
Doch wie sie auch sich bäumen,
Dem Schiff sich werfend in die Bahn,
In toller Mühe schäumen:
Das Schiff voll froher Wanderlust
Zieht fort unaufzuhalten,
Und mächtig wird von seiner Brust
Der Wogendrang gespalten;
Gewirkt von goldner Strahlenhand
Aus dem Gesprüh der Wogen,
Kommt ihm zur Seit ein Irisband
Hellflatternd nachgeflogen.
So weit nach Land mein Auge schweift,
Seh ich die Flut sich dehnen,
Die uferlose; mich ergreift
Ein ungeduldig Sehnen.
Dass ich so lang euch meiden muss,
Berg, Wiese, Laub und Blüte! –
Da lächelt seinen Morgengruß
Ein Kind aus der Kajüte.
Wo fremd die Luft, das Himmelslicht,
Im kalten Wogenlärme,
Wie wohl tut Menschenangesicht
Mit seiner stillen Wärme!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Sehnsucht
Wie eine leise Glocke klingt
Die Sehnsucht in mir an;
Weiß nicht, woher, wohin sie singt,
Weil ich nicht lauschen kann.
Es treibt das Leben mich wild um,
Dröhnt um mich mit Gebraus,
Und mählich wird die Glocke stumm,
Und leise klingt sie aus.
Sie ist nur für den Feiertag
Gemacht und viel zu fein,
Als dass ihr bebebanger Schlag
Dräng in die Lärmlust ein.
Sie ist ein Ton von dorten her,
Wo alles Feier ist;
Ich wollte, dass ich dorten wär,
Wo man den Lärm vergisst.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ludwig Eichrodt (1827-1892)
Sehnsucht im Herbst
O welch ein Lied mit süßen Heimatsklängen,
Welch ein Akkord voll Glück und Schmerz,
Als ob die Nachtigallen alle sängen,
Erregt aufs Neue mir das Herz!
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?
Ihr Nachtigallen, könnt ich mit euch ziehn!
Mich zieht es hin zu jenen linden Lüften,
Wie es den Vogel nach dem Maimond zieht,
Zu Lorbeerhainen, ach zu Sonnentriften!
Mein Vaterland ist, wo der Frühling blüht,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht!
Mein Sinn, mein – Trübsinn nach der Heimat steht!
O lockend Lied, wer ist wie du beredt?
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Nikolaus Lenau (1802-1850)
Wandel der Sehnsucht
Wie doch dünkte mir die Fahrt so lang,
O wie sehnt ich mich zurück so bang
Aus der weiten, fremden Meereswüste
Nach der lieben, fernen Heimatküste.
Endlich winkte das ersehnte Land,
Jubelnd sprang ich an den teuern Strand,
Und als wiedergrüne Jugendträume
Grüßten mich die heimatlichen Bäume.
Hold, und süßverwandt, wie nie zuvor,
Klang das Lied der Vögel an mein Ohr;
Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen,
Hätt ich jeden Stein ans Herz gerissen.
Doch, da fand ich dich, und – todesschwank
Jede Freude dir zu Füßen sank,
Und mir ist im Herzen nur geblieben
Grenzenloses, hoffnungsloses Lieben.
O wie sehn ich mich so bang hinaus
Wieder in das dumpfe Flutgebraus!
Möchte immer auf den wilden Meeren
Einsam nur mit deinem Bild verkehren!
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