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Matthias Claudius (1740-1815)
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Der Tod und das Mädchen
Das Mädchen
Vorüber! Ach, vorüber!
Geh, wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.
Der Tod
Gib deine Hand, du schon und zart Gebild!
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen.
Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen!
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Ludwig Tieck (1773-1853)
Die Berge
Wehmut taut vom Himmel nieder,
Aus den Wolken, dunkel schwer,
Sinkt ein düstrer Traum hernieder,
Und von Hoffnung bleibt die Seele leer.
Schmerz, wohin ich denk' und fühle,
Wie der Blick sich rings erhebt,
Nichts, das meine Angst mir kühle,
Nirgend Trost und Freude lebt.
Wie in Nebel sich verhüllet
Fern der Berge spitzes Haupt,
Plötzlich dann aus Dämpfen quillet
Und daher glänzt grün umlaubt.
So kann mir zurück auch geben,
Was mir nahm ein schwer Geschick,
Meine Jugend, Frohsinn, Leben,
Auch das fern entschwundne Glück.
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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
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Die Entschlafenen
Einen vergänglichen Tag lebt ich und wuchs mit den Meinen,
Eins ums andere schon schläft mir und fliehet dahin.
Doch ihr Schlafenden wacht am Herzen mir, in verwandter
Seele ruhet von euch mir das entfliehende Bild.
Und lebendiger lebt ihr dort, wo des göttlichen Geistes
Freude die Alternden all, alle die Toten verjüngt.
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Johann Peter Hebel (1760-1826)
Die Rose
Im Garten sah ich frisch und schön
die aufgeblühte Rose stehn;
und wer sie sah und wer sie fand,
gleich mir entzücket vor ihr stand.
Der Gärtner kam in raschem Gang;
da ward mir für die Rose bang.
Ich stand und sah, wie plötzlich - ach!
des Gärtners Hand die Rose brach.
"Du harter Mann, was machest du?"
rief ich dem Gärtner zürnend zu;
"die Rose, die so herrlich stand,
bricht ohn Erbarmen deine Hand!"
"Der Sturm könnt sie entblättern hier",
sprach drauf der Gärtner mild zu mir.
"Für sie, die hier gefährdet stand,
weiß ich ein sichres, bessres Land.
In jenes Land versetz ich sie;
denn dort erreicht der Sturm sie nie.
Wirst du sie einst dort wiedersehn,
so blüht sie hundertmal so schön!"
(Beim Tode eines jungen Mädchens)
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Die Schwalb' ist angekommen...
Die Schwalb' ist angekommen,
Und in Besitz genommen
Hat sie ihr altes Nest.
Es hanget noch und schwebet
An seinem Ort, sie klebet
Mit neuer Kunst es fest.
Sie lässt sich's nicht verdrießen,
Die Lücken rings zu schließen,
Und brütet freudenreich.
Wohlauf, du mein Gemüte,
Nicht über Kummer brüte,
Und tu's der Schwalbe gleich!
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Engel umschweben uns...
Engel umschweben uns,
Wo wir auch gehn,
Engel umgeben uns,
Wie wir uns drehn.
Doch wir erkennen sie
Nicht in dem Licht,
Und zu benennen sie
Wissen wir nicht.
Selber zu blenden uns
Scheinet der Glanz,
Wir von ihm wenden uns
Halb oder ganz.
Aber nun haben wir
Engel ein Paar,
Denen ja gaben wir
Namen fürwahr.
Und nicht vergaßen wir:
Wirklich einmal
Selber besaßen wir
Leiblich den Strahl.
Sollten wir wenden uns
Ab von dem Glanz?
Sollten verblenden uns
Halb oder ganz?
Nein, wir erkennen euch
Freudig im Licht,
Und zu benennen euch
Zweifeln wir nicht.
Lächelnd ihr gebet uns,
Wohl zu verstehn,
Dass ihr umschwebet uns
Wo wir auch gehn.
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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
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Es wandelt, was wir schauen...
Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.
Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.
Was gäb es doch auf Erden,
Wer hielt' den Jammer aus,
Wer möcht geboren werden,
Hieltst du nicht droben Haus!
Du bist's, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen -
Darum so klag ich nicht.
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Friedrich von Schiller (1759-1805)
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Hoffnung
Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.
Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren!
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
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Emanuel Geibel (1815-1884)
Ich sah den Wald sich färben
Ich sah den Wald sich färben,
Die Luft war grau und stumm;
Mir war betrübt zum Sterben,
Und wusst’ es kaum, warum.
Durchs Feld vom Herbstgestäude
Hertrieb das dürre Laub;
Da dacht’ ich: Deine Freude
Ward so des Windes Raub.
Dein Lenz, der blütenvolle,
Dein reicher Sommer schwand;
An die gefrorne Scholle
Bist du nun festgebannt.
Da plötzlich floss ein klares
Getön in Lüften hoch:
Ein Wandervogel war es,
Der nach dem Süden zog.
Ach, wie der Schlag der Schwingen,
Das Lied ins Ohr mir kam,
Fühlt ich’s wie Trost mir dringen
Zum Herzen wundersam.
Es mahnt’ aus heller Kehle
Mich ja der flücht’ge Gast:
Vergiss, o Menschenseele,
Nicht, dass du Flügel hast!
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Theodor Fontane (1819-1898)
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Lass ab von diesem Zweifeln...
Lass ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre dir den vollen Glauben
An diese Welt trotz dieser Welt.
Schau hin auf eines Weibes Züge,
Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl's, es ist nicht alles Lüge,
Was uns das Leben bringt und schickt.
Und, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein.
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Schlägt dir die Hoffnung fehl...
Schlägt dir die Hoffnung fehl, nie fehlt dir das Hoffen!
Ein Tor ist zugetan, doch tausend sind noch offen.
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Arno Holz (1863-1929)
Sieben Septillionen Jahre...
Sieben Septillionen Jahre
zählte ich die Meilensteine am Rande der Milchstraße.
Sie endeten nicht.
Myriaden Äonen
versank ich in die Wunder eines einzigen Tautröpfchens.
Es erschlossen sich immer neue.
Mein Herz erzitterte!
Selig ins Moos
streckte ich mich und wurde Erde.
Jetzt ranken Brombeeren
über mir,
auf einem sich wiegenden Schlehdornzweig
zwitschert ein Rotkehlchen.
Aus meiner Brust
springt fröhlich ein Quell,
aus meinem Schädel
wachsen Blumen.
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Theodor Fontane (1819-1898)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_fontane.php
Trost
Tröste dich, die Stunden eilen,
Und was all dich drücken mag,
Auch das Schlimmste kann nicht weilen,
Und es kommt ein andrer Tag.
In dem ew’gen Kommen, Schwinden,
Wie der Schmerz liegt auch das Glück,
Und auch heitre Bilder finden
Ihren Weg zu dir zurück.
Harre, hoffe. Nicht vergebens
Zählest du der Stunden Schlag,
Wechsel ist das Los des Lebens,
Und – es kommt ein andrer Tag.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Trost an eine Mutter
Starb dein Kind. Nun weine!
Und dann wirst du glücklich sein.
Denn das zarte, kleine
Leben schwand noch quellenrein.
Lausche, was mit frommen
Worten die Erinnerung spricht.
Schlimmes konnte kommen.
Nach dem Tode kommt es nicht.
Passt ein Kinderröckchen
Niemals der erwachsenen Frau.
Abgeschnittene Kinderlöckchen
Werden nimmer grau.
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Muhammad Schams ad-Din Hafis (um 1320-1390)
Über Sein und Nichtsein...
Über Sein und Nichtsein sei
Kummerlos und sorgenfrei;
Denn von jedem Sein, wie hoch,
ist Nichtsein das Ende doch.
(aus dem Persischen von Friedrich Rückert)
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