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Friedrich Rückert (1788-1866)
Nun will die Sonne...
Nun will die Sonne so hell aufgehn,
Als sei kein Unglück die Nacht geschehn.
Das Unglück geschah auch mir allein,
Die Sonne, sie scheinet allgemein.
Du musst die Nacht nicht in dir verschränken,
Musst sie ins ewige Licht versenken.
Ein Lämpchen verlosch in meinem Zelt,
Heil sei dem Freudenlichte der Welt!
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Gustav Sack (1885-1916)
Herbst
Die Schwalben sammeln lärmend ihre Züge
und stieben von den Telegraphendrähten,
als ob der Herbst mit Daunenkissen schlüge
und wirbelnd aus den aufgeplatzten Nähten
die weiße Wolle in den Himmel würfe.
Dann fliegen sie in ferne Palmenländer –
und eine Krankheit wird die Welt befallen,
bis über ihre purpurnen Gewänder
die hohlen Winde aufeinander prallen
und lange Nächte durch unsinnig wüten.
Und hangend wie in ungeheuren Schächten,
wirst du mit weiten Augen lauschend liegen
in diesen lauten windewilden Nächten;
kein Arm wird sich um deine Schulter schmiegen,
und dir wird sein, als ob dein Herz zerfiele.
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Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1791)
Frühlingslied eines Greisen
Hier in diesem Paradiese
Find ich bald - ach bald mein Grab;
Alt bin ich, und meine Füße
Stützt schon dieser Dornenstab.
Aus der schönen Welt zu scheiden,
Guter Gott, das fällt mir schwer.
Zwar erlebt' ich manches Leiden,
Aber doch der Freuden mehr.
Atme deine Balsamdüfte
Mir zum letztenmal, Natur.
Spielt, ihr warmen Frühlingsdüfte,
Mit den Silberlocken nur!
Bald werd' ich die grünen Haine
Und die Hecken nimmer sehn!
Gott vergib mir's, wenn ich weine;
Denn die Welt ist gar zu schön.
Nachtigallen im Gesträuche,
Lerchen in der blauen Luft,
Singt nur, singt mir halben Leiche
Totenlieder in die Gruft.
Doch ich schlafe - Deine Güte
Ist's, du guter Frühling, du!
Decke mich mit Äpfelblüte
In dem sanften Schlummer zu.
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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
Die Toten
Sie sterben - und die Toten kehren nimmer!
Der Schmerz, sie zählend, sitzt an offner Gruft,
Ein Jüngling-Greis, getrübt des Auges Schimmer -
Wes sind die Namen, die er klagend ruft?
Die Namen sind's der heimgegangnen Lieben;
Tot sind sie all, nur ihre Namen blieben.
Dies trauervolle Bild der Pein,
Die Gräber, bleiben dir allein.
O Schmerz, mein liebster Freund, nicht länger weine!
Du willst nicht Trost - ach, wundern kann's mich nicht!
Denn hier mit ihnen hast dem Abendscheine
Du zugeschaut, und alles war so licht
Und friedlich still wie jetzt, doch schnell entwichen -
Nun ist dein Hoffen tot, dein Haar erblichen;
Dies trauervolle Bild der Pein,
Die Gräber, bleiben dir allein.
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Einer Toten
1
Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr,
Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen;
Die Mutterfreude war für dich zu schwer,
Das Leben war dir gar zu hart gewesen. –
Er saß bei dir in letzter Liebespflicht;
Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!
Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht.
»Mein guter Mann, wie gerne wollt ich leben!«
Er hörte still die sanften Worte an,
Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen:
»Sorg für das Kind - ich sterbe, süßer Mann.«
Dann halb verständlich noch: »Nun will ich schlafen.«
Und dann nichts mehr; - du wurdest nimmer wach,
Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber;
Der Atem Gottes wehte durchs Gemach,
Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber.
2
Das aber kann ich nicht ertragen,
Dass so wie sonst die Sonne lacht;
Dass wie in deinen Lebenstagen
Die Uhren gehn, die Glocken schlagen,
Einförmig wechseln Tag und Nacht;
Dass, wenn des Tages Lichter schwanden,
Wie sonst der Abend uns vereint;
Und dass, wo sonst dein Stuhl gestanden,
Schon andre ihre Plätze fanden,
Und nichts dich zu vermissen scheint;
Indessen von den Gitterstäben
Die Mondesstreifen schmal und karg
In deine Gruft hinunterweben
Und mit gespenstig trübem Leben
Hinwandeln über deinen Sarg.
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Ludwig Uhland (1787-1862)
Auf den Tod eines Kindes
Du kamst, Du gingst mit leiser Spur,
Ein flücht'ger Gast im Erdenland;
Woher? Wohin? Wir wissen nur:
Aus Gottes Hand in Gottes Hand.
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Ludwig Uhland (1787-1862)
Abreise
So hab’ ich nun die Stadt verlassen,
Wo ich gelebet lange Zeit;
Ich ziehe rüstig meiner Straßen,
Es gibt mir niemand das Geleit.
Man hat mir nicht den Rock zerrissen,
Es wär’ auch schade für das Kleid!
Noch in die Wange mich gebissen
Vor übergroßem Herzeleid.
Auch keinem hat’s den Schlaf vertrieben,
Dass ich am Morgen weitergeh’;
Sie konnten’s halten nach Belieben,
Von e i n e r aber tut mir’s weh.
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Der Anarchist
Reicht mir in der Todesstunde
Nicht in Gnaden den Pokal!
Von des Weibes heißem Munde
Lasst mich trinken noch einmal!
Mögt ihr sinnlos euch berauschen,
Wenn mein Blut zerrinnt im Sand.
Meinen Kuss mag sie nicht tauschen.
Nicht für Brot aus Henkershand.
Einen Sohn wird sie gebären,
Dem mein Kreuz im Herzen steht,
Der für seiner Mutter Zähren
Eurer Kinder Häupter mäht.
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Franz Werfel (1890-1945)
Elternlied
Kinder laufen fort.
Lang her kanns noch gar nicht sein,
Kamen sie zur Tür herein,
Saßen zwistiglich vereint
Alle um den Tisch.
Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphtherie!
Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töchter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
Nur auf einen Sprung.
Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt,
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
Um den leeren Tisch.
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