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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
Die Toten
Sie sterben - und die Toten kehren nimmer!
Der Schmerz, sie zählend, sitzt an offner Gruft,
Ein Jüngling-Greis, getrübt des Auges Schimmer -
Wes sind die Namen, die er klagend ruft?
Die Namen sind's der heimgegangnen Lieben;
Tot sind sie all, nur ihre Namen blieben.
Dies trauervolle Bild der Pein,
Die Gräber, bleiben dir allein.
O Schmerz, mein liebster Freund, nicht länger weine!
Du willst nicht Trost - ach, wundern kann's mich nicht!
Denn hier mit ihnen hast dem Abendscheine
Du zugeschaut, und alles war so licht
Und friedlich still wie jetzt, doch schnell entwichen -
Nun ist dein Hoffen tot, dein Haar erblichen;
Dies trauervolle Bild der Pein,
Die Gräber, bleiben dir allein.
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)
Der Tod
Der Tod ist hier, der Tod ist dort,
Der Tod regiert an jedem Ort;
Drunten, droben, ringsum droht
Grimm der Tod - auch wir sind Tod.
Sein Siegel hat der Tod geprägt
Auf alles, was in uns sich regt,
Auf unser Wissen, unser Graun
. . . . . . . . . . .
Erst stirbt unsre Freude, dann
Die Hoffnung, dann die Furcht - und wann
Diese tot, wird, Staub zum Staub,
Unser Leib dem Grab zum Raub.
Was in Liebe wir umfassen,
Alles muss gleich uns erblassen;
Selbst die Liebe würde sterben,
Sähn wir jenes nicht verderben.
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Theodor Storm (1817-1888)
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Beginn des Endes
Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,
Nur ein Gefühl, empfunden eben;
Und dennoch spricht es stets darein,
Und dennoch stört es dich zu leben.
Wenn du es andern klagen willst,
So kannst du's nicht in Worte fassen.
Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«
Und dennoch will es dich nicht lassen.
So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis verlässt dich alles Hoffen,
Bist du es endlich, endlich weißt,
Dass dich des Todes Pfeil getroffen.
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Theodor Storm (1817-1888)
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Eine Frühlingsnacht
Im Zimmer drinnen ist's so schwül;
Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.
Im Fieber hat er die Nacht verbracht;
Sein Herz ist müde, sein Auge verwacht.
Er lauscht auf der Stunden rinnenden Sand;
Er hält die Uhr in der weißen Hand.
Er zählt die Schläge, die sie pickt,
Er forschet, wie der Weiser rückt;
Es fragt ihn, ob er noch leb' vielleicht,
Wenn der Weiser die schwarze Drei erreicht.
Die Wartfrau sitzt geduldig dabei,
Harrend, bis alles vorüber sei. -
Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod -
Und draußen dämmert das Morgenrot;
An die Fenster klettert der Frühlingstag,
Mädchen und Vögel werden wach.
Die Erde lacht in Liebesschein,
Pfingstglocken läuten das Brautfest ein;
Singende Bursche ziehn über’s Feld
Hinein in die blühende, klingende Welt. –
Und immer stiller wird es drin;
Die Alte tritt zum Kranken hin.
Der hat die Hände gefaltet dicht;
Sie zieht ihm das Laken über’s Gesicht.
Dann geht sie fort. Stumm wird's und leer;
Und drinnen wacht kein Auge mehr.
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Theodor Storm (1817-1888)
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Einer Toten
1
Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr,
Verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen;
Die Mutterfreude war für dich zu schwer,
Das Leben war dir gar zu hart gewesen. –
Er saß bei dir in letzter Liebespflicht;
Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!
Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht.
»Mein guter Mann, wie gerne wollt ich leben!«
Er hörte still die sanften Worte an,
Wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen:
»Sorg für das Kind - ich sterbe, süßer Mann.«
Dann halb verständlich noch: »Nun will ich schlafen.«
Und dann nichts mehr; - du wurdest nimmer wach,
Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber;
Der Atem Gottes wehte durchs Gemach,
Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber.
2
Das aber kann ich nicht ertragen,
Dass so wie sonst die Sonne lacht;
Dass wie in deinen Lebenstagen
Die Uhren gehn, die Glocken schlagen,
Einförmig wechseln Tag und Nacht;
Dass, wenn des Tages Lichter schwanden,
Wie sonst der Abend uns vereint;
Und dass, wo sonst dein Stuhl gestanden,
Schon andre ihre Plätze fanden,
Und nichts dich zu vermissen scheint;
Indessen von den Gitterstäben
Die Mondesstreifen schmal und karg
In deine Gruft hinunterweben
Und mit gespenstig trübem Leben
Hinwandeln über deinen Sarg.
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Theodor Storm (1817-1888)
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Ein Leib und eine Seele
Ein Leib und eine Seele, die wir waren,
Kann ich von deinem Tode nicht genesen;
Wie du zerfällst einsam in deinem Grabe,
So fühl ich mich, mein Leben, mit verwesen.
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Theodor Storm (1817-1888)
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Im Zeichen des Todes
Noch war die Jugend mein, die schöne, ganze,
Ein Morgen nur, ein Gestern gab es nicht;
Da sah der Tod im hellsten Sonnenglanze,
Mein Haar berührend, mir ins Angesicht.
Die Welt erlosch, der Himmel brannte trübe;
Ich sprang empor entsetzt und ungestüm.
Doch er verschwand; die Ewigkeit der Liebe
Lag vor mir noch und trennte mich von ihm.
Und heute nun – im sonnigen Gemache
Zur Rechten und zur Linken schlief mein Kind;
Des zarten Atems lauschend, hielt ich Wache,
Und an den Fenstern ging der Sommerwind.
Da sanken Nebelschleier dicht und dichter
Auf mich herab; kaum schienen noch hervor
Der Kinder schlummerselige Gesichter,
Und nicht mehr drang ihr Atem an mein Ohr.
Ich wollte rufen; doch die Stimme keuchte,
Bis hell die Angst aus meinem Herzen schrie.
Vergebens doch; kein Schrei der Angst erreichte,
Kein Laut der Liebe mehr erreichte sie.
In grauer Finsternis stand ich verlassen,
Bewegungslos und schauernden Gebeins;
Ich fühlte kalt mein schlagend Herz erfassen,
Und ein entsetzlich Auge sank in meins.
Ich floh nicht mehr; ich fesselte das Grauen
Und fasste mühsam meines Auges Kraft;
Dann überkam vorahnend mich Vertrauen
Zu dem, der meine Sinne hielt in Haft.
Und als ich fest den Blick zurückgegeben,
Lag plötzlich tief zu Füßen mir die Welt;
Ich sah mich hoch und frei ob allem Leben
An deiner Hand, furchtbarer Fürst, gestellt.
Den Dampf der Erde sah empor ich streben
Und ballen sich zu Mensch- und Tiergestalt;
Sah es sich schütteln, tasten, sah es leben
Und taumeln dann und schwinden alsobald.
Im fahlen Schein im Abgrund sah ich’s liegen
Und sah sich’s regen in der Städte Rauch;
Ich sah es wimmeln, hasten, sich bekriegen
Und sah mich selbst bei den Gestalten auch.
Und niederschauend von des Todes Warte,
Kam mir der Drang, das Leben zu bestehn,
Die Lust, dem Feind, der unten meiner harrte,
Mit vollem Aug ins Angesicht zu sehn.
Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen
Fühlt ich die Kraft, entgegen Lust und Schmerz
Vom Leben fest mich selber zu gewinnen,
Wenn andres nicht, so doch ein ganzes Herz. –
Da fühlt ich mich im Sonnenlicht erwachen;
Es dämmerte, verschwebte und zerrann;
In meine Ohren klang der Kinder Lachen,
Und frische, blaue Augen sahn mich an.
O schöne Welt! So sei in ernstem Zeichen
Begonnen denn der neue Lebenstag!
Es wird die Stirn nicht allzusehr erbleichen,
Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.
Ich fühle tief, du gönnetest nicht allen
Dein Angesicht; sie schauen dich ja nur,
Wenn sie dir taumelnd in die Arme fallen,
Ihr Los erfüllend gleich der Kreatur.
Mich aber lass unirren Augs erblicken,
Wie sie, von keiner Ahnung angeweht,
Brutalen Sinns ihr nichtig Werk beschicken,
Unkundig deiner stillen Majestät.
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Kurt Tucholsky (1890-1935)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/kurt_tucholsky.php
Letzte Fahrt
An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben –
da soll es mittags Rote Grütze geben,
mit einer fetten, weißen Sahneschicht ...
Von wegen: Leibgericht.
Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dinger
aus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger.
Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus.
Und ich lieg da und denk: „Ach, polk dich aus!“
Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter.
Nun fasst der Karlchen die Blondine unter,
die mir zuletzt noch dies und jenes lieh ...
Sie findet: Trauer kleidet sie.
Der Zug ruckt an. Und alle Damen,
die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen:
vollzählig sind sie heut noch einmal da ...
Und vorne rollt Papa.
Da fährt die erste, die ich damals ohne
die leiseste Erfahrung küsste – die Matrone
sitzt schlicht im Fond, mit kleinem Trauerhut.
Altmodisch war sie – aber sie war gut.
Und Lotte! Lottchen mit dem kleinen Jungen!
Briefträger jetzt! Wie ist mir der gelungen?
Ich sah ihn nie. Doch wo er immer schritt:
mein Postscheck ging durch sechzehn Jahre mit.
Auf rotem samtnen Kissen, im Spaliere,
da tragen feierlich zwei Reichswehroffiziere
die Orden durch die ganze Stadt
die mir mein Kaiser einst verliehen hat.
Und hinterm Sarg mit seinen Silberputten,
da schreiten zwoundzwonzig Nutten –
sie schluchzen innig und mit viel System.
Ich war zuletzt als Kunde sehr bequem.
Das Ganze halt! Jetzt wird es dionysisch!
Nun singt ein Chor: Ich lächle metaphysisch.
Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß!
Ich schweige tief.
Und bin mich endlich los.
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unbekannt (Anfang 19. Jh.)
Ich ging im Wald spazieren...
Ich ging im Wald spazieren,
Da fiel ein Stern herab.
Ich täts im Herzen spüren.
Der Stern, der fiel herab.
Und als ich kam zum Wald heraus,
Da stand ich vor der Liebsten Haus;
Und als ich kam zur Kammer herein,
Da lag sie schon im Totenschrein:
Der Stern, der fiel herab.
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Volksgut
Das Hungerkind
Mutter, ach Mutter, es hungert mich;
Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
»Warte nur, mein Kind,
Morgen woll'n wir säen geschwind!«
Und als das Korn gesäet war,
Da sprach das Kind noch immerdar:
Mutter, ach Mutter, es hungert mich:
Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
»Warte nur, mein Kind,
Morgen woll'n wir ernten geschwind!«
Und als das Korn geerntet war,
Da sprach das Kind noch immerdar:
Mutter, ach Mutter, es hungert mich;
Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
»Warte nur, mein Kind,
Morgen woll'n wir dreschen geschwind!«
Und als das Korn gedroschen war,
Da sprach das Kind noch immerdar:
Mutter, ach Mutter, es hungert mich;
Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
»Warte nur, mein Kind,
Morgen woll'n wir mahlen geschwind!«
Und als das Korn gemahlen war,
Da sprach das Kind noch immerdar:
Mutter, ach Mutter, es hungert mich;
Gib mir Brot, sonst sterbe ich!
»Warte nur, mein Kind,
Morgen woll'n wir backen geschwind!«
Und als das Brot gebacken war,
Da lag das Kind auf der Totenbahr'.
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