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Todessehnsucht im Gedicht – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Novalis (1772-1801)

Sehnsucht nach dem Tode

Hinunter in der Erde Schoß,
Weg aus des Lichtes Reichen,
Der Schmerzen Wut und wilder Stoß
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.

Gelobt sei uns die ewge Nacht,
Gelobt der ewge Schlummer.
Wohl hat der Tag uns warm gemacht,
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus,
Zum Vater wollen wir nach Haus.

Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb' und Treue.
Das Alte wird hintangestellt,
Was soll uns dann das Neue.
O! einsam steht und tiefbetrübt,
Wer heiß und fromm die Vorzeit liebt.

Die Vorzeit wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einfältiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.

Die Vorzeit, wo noch blütenreich
Uralte Stämme prangten,
Und Kinder für das Himmelreich
nach Qual und Tod verlangten.
Und wenn auch Lust und Leben sprach,
Doch manches Herz für Liebe brach.

Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und frühem Tod in Liebesmut
Geweiht sein süßes Leben.
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb,
Damit er uns nur teuer blieb.

Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
In dunkle Nacht gehüllet,
In dieser Zeitlichkeit wird nie
Der heiße Durst gestillet.
Wir müssen nach der Heimat gehn,
Um diese heilge Zeit zu sehn.

Was hält noch unsre Rückkehr auf,
Die Liebsten ruhn schon lange.
Ihr Grab schließt unsern Lebenslauf,
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr –
Das Herz ist satt – die Welt ist leer.

Unendlich und geheimnisvoll
Durchströmt uns süßer Schauer –
Mir däucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer.
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Sehnsucht Hauch.

Hinunter zu der süßen Braut,
Zu Jesus, dem Geliebten –
Getrost, die Abenddämmrung graut
Den Liebenden, Betrübten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoß.

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Sándor Petöfi (1823-1849)

Todessehnsucht

Gebt einen Sarg mir und ein Grab
In tiefer, stiller Erde, – gebt!
Wo kein Empfinden, kein Gefühl,
Kein Herz und kein Gedanke lebt!

O du mein Kopf, du meine Brust,
Zwiefacher Fluch, der auf mir ruht!
Wozu mit Flammengeißeln selbst
Sich quälen in ohnmächt'ger Wut?

Warum sehnt dieses stolze Hirn
Gar zu den Sternen sich empor,
Wenn sein Geschick ihm rau befiehlt:
Kriech' auf der Erde hin, du Tor!?

Und wenn von aller Freud' und Lust,
Von allem, was des Daseins Zier,
Nicht das Geringste mir gewährt,
Wozu ward dieses Leben mir?

Und schlägt ein Herz in meiner Brust,
Das hell im Glück zu jubeln weiß,
Was gönnst Du, Gott der Seligkeit,
Ihm nichts als einen Blick aus Eis? ...

Gebt einen Sarg mir und ein Grab
In tiefer, stiller Erde, – gebt!
Wo kein Empfinden, kein Gefühl,
Kein Herz und kein Gedanke lebt! ...

(aus dem Ungarischen von Ignaz Schnitzer)

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August von Platen (1796-1835)

Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!

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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php

Der letzte Weg

"Ich gehe ins Wasser," sagte sie leis,
"Ade!
Du hast es gut mit mir gemeint.
So weiß ich einen, der um mich weint.
Hab Dank!"
Ich aber sah ihr tiefes Weh
Und küsste sie, die arm und krank,
Und sagte: "Geh!"

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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php

Jung sterben

Jung sterben – in besten, noch hoffenden Jahren –
Wie schön muss das sein!
Du hättest nur Gutes, nur Frohes erfahren.
Blieb Alles dein.

Und es blieb an der Stätte, wo du begraben,
Nur Liebe zurück.
So gar nichts Trübes gekostet zu haben – – –
Wär’s nicht ein Glück?

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William Shakespeare (1564-1616)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/shakespeare.php

Sonett LXVI

Müde von alle diesem wünsch’ ich Tod:
Verdienst zum Bettler sehn geboren werden,
Und hohle Dürftigkeit in Grün und Rot,
Und wie sich reinste Treu entfärbt auf Erden,
Und goldnen Ehrenschmuck auf Knechteshaupt,
Und jungfräuliche Tugend frech geschändet,
Und Hoheit ihres Herrschertums beraubt,
Und Kraft an lahmes Regiment verschwendet,
Und Kunst im Zungenbande der Gewalt,
Und Schulenunsinn, der Vernunft entgeistert,
Und schlichte Wahrheit, die man Einfalt schalt,
Und wie vom Bösen Gutes wird gemeistert:
Müde von alle dem, wär Tod mir süß;
Nur, dass ich sterbend den Geliebten ließ!

(aus dem Englischen von Gottlob Regis)

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Julius Sturm (1816-1896)

Komm, o Nacht...

Komm, o Nacht! - und nimm mich hin,
Dass ich schlafend mich vergesse,
Länger nicht mit wachem Sinn
Meines Kummers Tiefen messe.

Schlafe, müdes, wundes Herz
Deine Klagen sind vergebens.
Schlaf ist Balsam deinem Schmerz,
Traum die Blüte meines Lebens.

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Georg Trakl (1887-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/georg_trakl.php

Seele des Lebens

Verfall, der weich das Laub umdüstert,
Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.
Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.
Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.

Der Einsame wird bald entgleiten,
Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.
Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,
Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.

Der blaue Fluss rinnt schön hinunter,
Gewölke sich am Abend zeigen;
Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.
Vergängliche Gebilde gehen unter.

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