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Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)
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Der Verlust
Alles ging für mich verloren,
Als ich Sylvien verlor.
Du nur gingst nicht mit verloren,
Liebe, da ich sie verlor!
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Detlev von Liliencron (1844-1909)
Meiner Mutter
Wie oft sah ich die blassen Hände nähen,
Ein Stück für mich - wie liebevoll du sorgtest.
Ich sah zum Himmel deine Augen flehen,
Ein Wunsch für mich - wie liebevoll du sorgtest.
Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen,
Ein Schutz für mich - wie sorgenvoll du horchtest.
Schon längst dein Grab die Winde überwehen,
Ein Gruß für mich - wie liebevoll du sorgtest.
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Novalis (1772-1801)
Wenn alle untreu werden...
Wenn alle untreu werden,
So bleib' ich dir doch treu;
Dass Dankbarkeit auf Erden
Nicht ausgestorben sei.
Für mich umfing dich Leiden,
Vergingst für mich in Schmerz;
Drum geb' ich dir mit Freuden
Auf ewig dieses Herz.
Oft muss ich bitter weinen,
Dass du gestorben bist,
Und mancher von den Deinen
Dich lebenslang vergisst.
Von Liebe nur durchdrungen
Hast du so viel getan,
Und doch bist du verklungen,
Und keiner denkt daran.
Du stehst voll treuer Liebe
Noch immer jedem bei,
Und wenn dir keiner bliebe,
So bleibst du dennoch treu;
Die treuste Liebe sieget,
Am Ende fühlt man sie,
Weint bitterlich und schmieget
Sich kindlich an dein Knie.
Ich habe dich empfunden,
O! lasse nicht von mir;
Lass innig mich verbunden
Auf ewig sein mit dir.
Einst schauen meine Brüder
Auch wieder himmelwärts,
Und sinken liebend nieder,
Und fallen dir ans Herz.
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Ein Seufzer
Schlimme Lose,
Dass der Himmlischen Zorn
Jeder Rose
Beigegeben den Dorn;
Aber schlimmer,
Dass die Rose verblüht,
Und noch immer
Sticht der Dorn im Gemüt.
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Friedrich Rückert (1788-1866)
Aus der Jugendzeit
Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit
Klingt ein Lied mir immerdar;
O wie liegt so weit, o wie liegt so weit,
Was mein einst war!
Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang,
Die den Herbst und Frühling bringt;
Ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang
Das jetzt noch klingt?
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
O du Kindermund, o du Kindermund,
Unbewusster Weisheit froh,
Vogelsprachekund, vogelsprachekund
Wie Salomo!
O du Heimatflur, o du Heimatflur,
Lass zu deinem heil’gen Raum
Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur
Entfliehn im Traum!
Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
War die Welt mir voll so sehr;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.
Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt,
Und der leere Kasten schwoll,
Ist das Herz geleert, ist das Herz geleert,
Wird’s nie mehr voll.
Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt
Dir zurück, wonach du weinst;
Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt
Im Dorf wie einst:
»Als ich Abschied nahm, als ich Abschied nahm,
Waren Kisten und Kasten schwer;
Als ich wieder kam, als ich wieder kam,
War alles leer.«
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Paul Scheerbart (1863-1915)
Die Welt ist laut ...
Die Welt ist laut,
Und ich bin still!
Erloschen sind die Flammen.
Ich kann nicht mehr,
So wie ich will!
Den Rausch muss ich verdammen.
Die Welt ist laut,
Ich möcht so viel!
Doch bring ich's nicht zusammen.
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Theodor Storm (1817-1888)
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Auf Erden stehet nichts...
Auf Erden stehet nichts, es muss vorüberfliegen;
Es kommt der Tod daher, du kannst ihn nicht besiegen.
Ein Weilchen weiß vielleicht noch wer, was du gewesen;
Dann wird das weggekehrt, und weiter fegt der Besen.
(Schlussvers aus der Erzählung "Zur Chronik von Grieshuus")
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Georg Trakl (1887-1914)
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In ein altes Stammbuch
Immer wieder kehrst du Melancholie,
O Sanftmut der einsamen Seele.
Zu Ende glüht ein goldener Tag.
Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
Siehe! es dämmert schon.
Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches
Und es leidet ein anderes mit.
Schaudernd unter herbstlichen Sternen
Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.
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Friedrich Theodor Vischer (1807-1887)
Ist mancher so gegangen
Ist mancher so gegangen
Und hat zurückgedacht,
Wie er mit Kinderwangen
Hier einst gespielt, gelacht.
Wird mancher noch so gehen
Und denken so zurück
Und wird sich selber sehen
In seinem Kinderglück.
Wird stehen, wie ich heute,
An seinem Vaterhaus,
Wo nun fremde Leute
Zum Fenster schaun heraus,
Wird suchen und wird spähen,
Am hellen Tage blind,
Wird meinen, er müsse sie sehen,
Die alle nicht mehr sind.
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