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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Liebhaber in allen Gestalten
Ich wollt, ich wär ein Fisch,
So hurtig und frisch;
Und kämst du zu anglen,
Ich würde nicht manglen.
Ich wollt, ich wär ein Fisch,
So hurtig und frisch.
Ich wollt, ich wär ein Pferd,
Da wär ich dir wert.
O wär ich ein Wagen,
Bequem dich zu tragen.
Ich wollt, ich wär ein Pferd,
Da wär ich dir wert.
Ich wollt, ich wäre Gold,
Dir immer im Sold;
Und tätst du was kaufen,
Käm ich wieder gelaufen.
Ich wollt, ich wäre Gold,
Dir immer im Sold.
Ich wollt, ich wär treu,
Mein Liebchen stets neu;
Ich wollt mich verheißen,
Wollt nimmer verreisen.
Ich wollt, ich wär treu,
Mein Liebchen stets neu.
Ich wollt, ich wär alt
Und runzlig und kalt;
Tätst du mir's versagen,
Da könnt mich's nicht plagen.
Ich wollt, ich wär alt
Und runzlig und kalt.
Wär ich Affe sogleich,
Voll neckender Streich';
Hätt was dich verdrossen,
So macht ich dir Possen.
Wär ich Affe sogleich,
Voll neckender Streich'.
Wär ich gut wie ein Schaf,
Wie der Löwe so brav;
Hätt Augen wie's Lüchschen
Und Listen wie's Füchschen.
Wär ich gut wie ein Schaf,
Wie der Löwe so brav.
Was alles ich wär,
Das gönnt ich dir sehr;
Mit fürstlichen Gaben,
Du solltest mich haben.
Was alles ich wär,
Das gönnt ich dir sehr.
Doch bin ich, wie ich bin,
Und nimm mich nur hin!
Willst du beßre besitzen,
So laß dir sie schnitzen.
Ich bin nun, wie ich bin;
So nimm mich nur hin!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Alfred Lichtenstein (1889-1914)
Mädchen
Sie halten den Abend der Stuben nicht aus.
Sie schleichen in tiefe Sternstraßen hinaus.
Wie weich ist die Welt im Laternenwind!
Wie seltsam summend das Leben zerrinnt..
Sie laufen an Gärten und Häusern vorbei,
Als ob ganz fern ein Leuchten sei,
Und sehen jeden lüsternen Mann
Wie einen süßen Herrn Heiland an.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Adolf Glaßbrenner (1810-1876)
Mangelhafte Schöpfung
Zwei Augen, Dich zu sehen,
Zwei Ohren, Dich zu hören,
Zwei Arme, Dich zu fassen,
Und, ach, um Dich zu küssen,
Nur einen Mund, o Holde!
Das will mir gar nicht passen!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Marys Kochschule
Dass in deinem Engelsköpfchen
So viel Teufelei rumort,
Hätt ich nimmer ahnen können;
Aber deine Küsse brennen,
Wie kein Höllenfeuer schmort.
Deiner Seele heiße Sauce
Gießt sich prasselnd auf mich aus;
Mit den neusten Apparaten
Werd ich Ärmster ausgebraten,
Ein bejammernswerter Schmaus.
Schließlich öffnest du die Brust mir
Und transchierst mein dampfend Herz,
Weidest dich an seinem Pochen,
Wie's zerrissen und zerstochen
Und in Stücke sprang vor Schmerz.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Frank Wedekind (1864-1918)
Mein Käthchen
Mein Käthchen fordert zum Lohne
Von mir ein Liebesgedicht.
Ich sage: Mein Käthchen verschone
Mich damit, ich kann das nicht.
Ob überhaupt ich dich liebe,
Das weiß ich nicht so genau.
Zwar sagst du ganz richtig, das bliebe
Gleichgültig; doch, Käthchen, schau:
Wenn ich die Liebe bedichte,
Bedicht ich sie immer vorher,
Denn wenn vorbei die Geschichte,
Wird mir das Dichten zu schwer.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Alfred Lichtenstein (1889-1914)
Nächtliches Abenteuer
Ging da neulich über den Potsdamer Platz
Um 1 Uhr nachts ein allerliebster Fratz.
Ich sprach die Kleine an mit frecher Stirne:
„3 Mark mein Schatz?"
Sagte, sie sei empört
Und finde so etwas unerhört,
Und sagte, sie sei keine Dirne
Und es sei ihr etwas wert, ihr Name,
Und sie sei eine anständige Dame
Und sie gäbe sich nicht für 3 Mark her
Und sie nähme mehr.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Kurt Tucholsky (1890-1935)
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Ostern
Da ist nun unser Osterhase-!
Er stellt das Schwänzchen in die Höh
und schnuppert hastig mit der Nase
und tanzt sich einen Pah de döh!
Dann geht er wichtig in die Hecken
und tut, was sonst nur Hennen tun.
Er möchte sein Produkt verstecken.
um sich dann etwas auszuruhn.
Das gute Tier-! Ein dicker Lümmel
nahm ihm die ganze Eierei
und trug beim Glockenbammelbimmel
sie zu der Liebsten nahebei.
Da sind sie nun. Bunt angemalen
sagt jedes Ei: „Ein frohes Fest!“
Doch unter ihren dünnen Schalen
liegt, was sich so nicht sagen lässt.
Iss du das Ei! Und lass dich küssen
zu Ostern und das ganze Jahr ...
Iss nur das Ei! und du wirst wissen
was drinnen in den Eiern war-!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776)
Petrarchische Bettlerode
Wenn mit leisen Hutfilzsöckchen
Meine braune Trutschel geht,
Und ihr rotes Büffelröckchen
Um die dicken Schinken weht,
Über Zäune, Steg und Brücken,
Jeden ausgeschlagnen Tag,
Humpl' ich dann auf beiden Krücken
Ihr mit Sack und Packe nach.
Wär ich nur ein Dorn der Hecke,
Welche schlau ihr Röckchen ritzt!
Nur ein Tröpfchen von dem Drecke,
Der an ihre Waden spritzt!
Wär ich nur das Fledermäuschen,
Das um ihre Mütze schwirrt!
Nur das kleine Silberläuschen,
Das von Ohr zu Ohr ihr irrt!
Wüsst ich hübsche Liebesstückchen,
Lustig, wie des Kuckucks Schall;
Ach! Dann hörte mich mein Fieckchen
Abends an des Amtmanns Stall!
Schmauchten mich nur ihre Lippen
Als ein Paffchen Krolltoback!
Oder drückt' an ihre Rippen
Sie mich als den Dudelsack!
Könnt' ich als ein Kamm ihr dienen,
Wenn sie hinterm Zaun sich kämmt!
Könnt' ich an dem Teiche grünen,
Wo sie ihre Glieder schwemmt!
Wär' ich doch auf Veltens Diele,
Schatz, für dich ein Bündel Stroh!
Nagt' ich, ach! mit süßem Spiele
Dir dein Leder, als ein Floh!
Würde doch von Niklas Mutter,
Durch den alten Teufelstext
Und ein Stücklein Hexenbutter,
Dir ein Traum von mir gehext!
Schmunzelnd in dem Schlafe, drücke,
Fest mein Bild mit einem Schmatz!
Morgens trabst bei meiner Krücke
Du einher, und bist mein Schatz!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
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Friedrich Theodor Vischer (1807-1887)
Prähistorische Ballade
Ein Ichthyosaur sich wälzte
Am schlammigen, mulstrigen Sumpf.
Ihm war in der Tiefe der Seele
So säuerlich, saurisch und dumpf,
So dämlich, so zäh und so tranig,
So schwer und so bleiern und stumpf;
Er stürzte sich in das Moorbad
Mit platschendem, tappigem Pflumpf.
Da sah er der Ichthyosaurin,
So zart und so rund und so schlank,
Ins schmachtende Eidechsenauge,
Da ward er vor Liebe so krank.
Da zog es ihn hin zu der Holden
Durchs klebrige Urweltgemüs,
Da ward aus dem Ichthyosauren
Der zärtlichste Ichthyosüß.
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Friedrich Haug (1761-1829)
Rechtfertigung
Ja wohl! Mein Unbestand ist mir bewusst;
Im Lieben wechsl' ich ab zu meinem Glücke:
Bald lieb' ich Deinen Mund, bald Deine Blicke,
Und bald die neidisch mir verhüllte Brust.
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Ludwig Thoma (1867-1921)
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Sexuelle Aufklärung
Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.
Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.
Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.
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Wilhelm Busch (1832-1908)
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Sie war ein Blümlein...
Sie war ein Blümlein hübsch und fein,
Hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
Der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
Und nascht und säuselt da herum.
Oft kroch ein Käfer kribbelkrab
Am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
So schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
Das Allerschlimmste kam zuletzt.
Ein alter Esel fraß die ganze
Von ihm so heiß geliebte Pflanze.
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Friedrich von Hagedorn (1708-1754)
Susanna im Bade
Susannens Keuschheit wird von allen hoch gepriesen:
Das junge Weib, das jeder artig fand,
tat beiden Greisen Widerstand
und hat sich keinem hold erwiesen.
Ich lobe, was wir von ihr lesen:
doch räumen alle Kenner ein;
das Wunder würde größer sein,
wenn beide Buhler jung gewesen.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Telefonischer Ferngruß
Ich grüße dich durchs Telefon,
guten Morgen, du Gutes!
Ich sauge deiner Stimme Ton
in die Wurzeln meines Mutes.
Ich küsse dich durch den langen Draht.
Du Meinziges, du Liebes!
Was ich dir - nahe - je Böses tat,
aus der Ferne bitt ich: Vergib es!
Bist du gesund? - Gut? - Was? - Wieviel? -
Nimm's leicht! - Vertraue! - Und bleibe
mir mein. - - Wir müssen dies Wellenspiel
abbrechen - - Nein "dir" Dank! - - Ich schreibe!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Benjamin Neukirch (1665-1729)
Über die Gestalt der Sylvia
Ich finde zwar sehr viel, die schön und artig sein;
Dann eine rühret uns durch ihrer Augen Schein,
Die andre lacht und prangt mit Lippen von Korallen,
An vielen pflegen uns die Haare zu gefallen,
Die hat ein kleines Kinn, und eine steife Brust,
Die macht durch ihren Gang uns zu der Liebe Lust,
Die führt, ich weiß nicht was für Anmut in den Lenden,
Und andre fesseln uns mit ihren Marmel-Händen;
Du aber, Sylvia, hast alles dies allein:
Dann jedes Glied an dir kann eine Kette sein.
Wie soll mich Ärmsten dann nicht deine Pracht entzünden,
Die, wann man sie zerteilt, kann ihrer sieben binden?
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Wolfgang Lörzer (geb. 1950)
Zweisamkeit mit Heine
Es schwärmte ein Schüler aus Peine
für Liebesgedichte von Heine.
Doch dann traf er Ruth,
und die tat ihm gut,
denn jetzt schwärmt er nicht mehr alleine.
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