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Celander (um 1700)
Die verhassten Stacheln
Was spitz und stachlicht ist, das hasst das Frauen-Zimmer
Es schreit, wenn ihre Hand ein scharfes Ding berührt,
Wenn es die Rosen bricht, schilt es die Stacheln immer,
Die deren Purpur-Zier zur Wache bei sich führt.
Das Honig liebt es zwar, doch aber nicht die Bienen,
Deren scharf Gewehr oft ihre Haut verletzt,
Es liebt das weiche Blatt der glänzenden Jesminen,
Die Dornen aber nicht, die in den Zaun gesetzt.
Die Nadel muss ihm zwar im Putze Dienste leisten,
Allein die Spitze ist, sobald sie sticht, veracht'.
Dies ging' noch alles hin, doch kränkt uns dies am meisten,
Dass unsers Mundes-Zier auch wird dazu gemacht.
Sie mögen herzlich gern von uns die Küsse nehmen,
Wenn unser Mannheit-Schmuck nicht um die Lippen steht,
Denn aber will der Mund sich nicht dazu bequemen,
Wenn ihnen nur der Bart in ihre Haut eingeht.
Sind aber, Kinder, euch die Stacheln auch verhasset,
Die eurer Jungfernschaft den lieben Tod antun?
Nein! denn er wird von euch an solchem Ort gefasset,
Dass ihr im Stechen könnt in süßer Wollust ruhn.
Der Stachel ists, der euch alleine will gefallen,
Da ander Stacheln euch zumahl verhasset sein,
Den Stachel liebet ihr an uns vor andern allen,
Weil er so zärtlich sticht euch eine Wunde ein.
Allein, ihr seid betört, dass ihr den Stachel liebet,
Der mit dem süßen Stich euch allzu schädlich ist,
Gesetzt, dass euch ein Dorn, ein Bart Verletzung giebet,
So stirbt die Ehr doch nicht, die bald das Grab-Mahl küsst.
Hasst doch die Stacheln nicht, die euch nicht schaden können,
Vertragt der Dornen Stich des Bartes auch darbei,
Der Schmerz, der davon kommt, pflegt leichte zu zerrinnen,
Und glaubt, der süsse Stich macht viel Beschwererei.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Adelbert von Chamisso (1781-1838)
Eid der Treue
Misstrauest, Liebchen, du der flücht'gen Stunde,
Des Augenblickes Lust?
Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,
Der Ewigkeit bewusst?
Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;
Du willst darauf ein Pfand:
Wohlan! ich will's mit kräft'gem Eid beschwören,
Ich hebe meine Hand:
Ich schwör's, elftausend heilige Jungfrauen,
Bei eurem keuschen Bart;
Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauen
In Mailand wird bewahrt;
Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte -
Ein unerhörter Schwur! -
Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,
Und bei des Windes Spur;
Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallen
Im letzt vergangnen Jahr;
Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,
Eid der Treue
Misstrauest, Liebchen, du der flücht'gen Stunde,
Des Augenblickes Lust?
Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,
Der Ewigkeit bewusst?
Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;
Du willst darauf ein Pfand:
Wohlan! ich will's mit kräft'gem Eid beschwören,
Ich hebe meine Hand:
Ich schwör's, elftausend heilige Jungfrauen,
Bei eurem keuschen Bart;
Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauen
In Mailand wird bewahrt;
Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte -
Ein unerhörter Schwur! -
Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,
Und bei des Windes Spur;
Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallen
Im letzt vergangnen Jahr;
Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,
Was nie sein wird noch war.
Und falls ich dennoch jemals untreu würde,
Vergäße jemals dein,
So soll mein Eid verbleiben ohne Würde,
Und ganz unbündig sein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Ein männlicher Briefmark
Ein männlicher Briefmark erlebte
Was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt.
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen,
Da hat er verreisen müssen.
So liebte er sie vergebens.
Das ist die Tragik des Lebens!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)
Einladung zur Liebe
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in dem Schatten!
Seht mich nur, ihr müsst mich lieben!
Rosen blühen auf den Wangen,
In den Adern glühet Feuer,
In den Minen lacht Vergnügen,
In den Augen locket Liebe,
Und bewegen sich die Lippen,
So bewegt sie Scherz und Freude.
Mädchen, wollt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in den Schatten,
Mädchen seht, wie schön ich liege!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Klabund (1890-1928)
Epitaph als Epilog
Hier ruhen siebenundzwanzig Jungfrauen aus Stralsund,
Denen ward durch einen Interpreten des Dichters neueste Dichtung kund.
Die hat die empfindsamen Mädchenherzen so sehr begeistert,
Dass auch nicht eine mehr ihr Gefühl gemeistert.
Man hängte sich teils auf, teils ging man in die See.
Nur eine ging zum Dichter selbst. (Und zwar aufs Kanapee.)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Arnim/Brentano (Hrsg.)
Es ist der Menschen weh und ach
Wie bin ich krank,
Gebt mir nur einen Trank,
Nur keine Pulver,
Und keine Pillen,
Die können meinen Schmerz nicht stillen:
Wie bin ich krank!
Wie bin ich matt!
Kaum ess ich mich nur satt;
Des Fiebers Wüten
Durchwühlt den Körper,
Schwächt alle Glieder:
Wie bin ich matt!
Ich sterbe ja,
Drum gute Nacht;
Mein Testament ist gemacht,
Sag meiner Phillis,
Sag mein Verlangen,
Dort seh ich sie, sie kommt gegangen,
Küss mir den Mund:
Ich bin gesund.
(aus: Des Knaben Wunderhorn, erschienen 1806-1808)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Kaspar Stieler (1632)
Frisch bei der Liebe!
Die Liebe lehrt im Finstern gehen,
sie lehret an der Tür uns stehen,
sie lehrt uns geben manche Zeichen
ihr süß Vergnügen zu erreichen.
Sie lehrt auf kunst-gemachten Leitern
zur Liebsten Fenster ein zu klettern,
die Liebe weiß ein Loch zu zeigen
in ein verriegelt Haus zu steigen.
Sie kann uns unvermerket führen
durch so viel wohlverwahrte Türen,
den Tritt kann sie so leise lehren,
die Mutter sollt’ auf Katzen schwören.
Die Liebe lehrt den Atem hemmen,
sie lehrt den Husten uns beklemmen,
sie lehrt das Bette sacht aufheben,
sie lehrt uns stille Küsschen geben.
Dies lehrt und sonst vielmehr das Lieben.
Doch willst du dich im Lieben üben:
so muss die Faulheit stehn bei Seite,
die Lieb’ erfordert frische Leute.
Wer lieben will und nichts nicht wagen,
wer bei dem Lieben will verzagen:
der lasse Lieben unterwegen.
Der Braten fleucht uns nicht entgegen.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Rückert (1788-1866)
Gestern hab’ ich von Nachtbesuch...
Gestern hab’ ich von Nachtbesuch beim Liebchen,
(Welch ein nagendes Liebesangedenken!)
Ach, ein Flöhchen mit heimgetragen, das nun,
Den jungfräulichen Aufenthalt vermissend,
Hüpfend, wühlend, mich quält den ganzen Tag lang,
Gegen Abend, auf meinem Sofa liegend,
Da die Stunde gekommen, wo ich dachte
Hinzugehen und das Flöhchen heimzutragen;
Wie ich höre, dass draußen Regen prasselt,
Und ich sage: nun kann ich heut nicht hingehn!
Tobt das Tierchen an mir ganz ungeheurer.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Erich Mühsam (1878-1934)
Grete
Als ich dich fragte: Darf ich Sie beschützen?
Da sagtest du: Mein Herr, Sie sind trivial.
Als ich dich fragte: Kann ich Ihnen nützen?
Da sagtest du: Vielleicht ein andres Mal.
Als ich dich bat: Ein Kuss, mein Kind, zum Lohne!
Da sagtest du: Mein Gott, was ist ein Kuss?
Als ich befahl: Komm mit mir, wo ich wohne! -
Da sagtest du: Na, endlich ein Entschluss!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Ich habe dich so lieb
Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.
Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.
Ich habe dich so lieb.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ludwig Thoma (1867-1921)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/thoma.php
Karneval
Väter, hört mich, Mütter, hört die Mahnung,
Jetzt kommt wieder jene Zeit - versteht! -,
Wo so manche Tugend ohne Ahnung
Der Besitzerin abhanden geht.
Beutesuchend schleicht umher das Laster;
Wer ist sicher, dass ihm nichts geschieht,
Wenn man jetzt der Busen Alabaster
Und beim Hofball auch die Nabel sieht?
Von den Blicken kommt es zur Berührung,
Irgendwo zu einem Druck der Hand,
Und so manches Mittel der Verführung
Sei aus Scham hier lieber nicht genannt!
Wenn an hochgewölbte Männerbrüste
Sich das zarte Fleisch der Mädchen drängt,
Regen sich von selbst die bösen Lüste
Und was sonst damit zusammenhängt.
Darum Eltern, wenn die Geigen klingen
Und die Klarinette schrillend pfeift,
Hütet eure Tochter vor den Dingen,
Die sie hoffentlich noch nicht begreift!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Komm mit mir in das Cinema...
Komm mit mir in das Cinema,
Dort findet man, was einmal war:
Die Liebe!
Liegt meine Hand in deiner Hand
Ganz übermannt im Dunkel,
Trompetet wo ein Elefant
Ganz plötzlich aus dem Dschungel -
Und schnappt nach uns aus heißem Sand
Auf seiner Filmenseide,
Ein Krokodilweib, hirnverbrannt,
Dann - küssen wir und beide!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php
Liebesglut
Sie liebt mich nicht. Nun brennt mein Herz
ganz lichterloh vor Liebesschmerz,
vor Liebesschmerz gar lichterloh
als wie gedörrtes Haferstroh.
Und von dem Feuer steigt der Rauch
mir unaufhaltsam in das Aug',
dass ich vor Schmerz und vor Verdruss
viel tausend Tränen weinen muss.
Ah Gott! Nicht lang ertrag ich's mehr! -
Reicht mir doch Feuerkübel her!
Die füll ich bald mit Tränen an,
dass ich das Feuer löschen kann.
Seitdem du mich so stolz verschmäht,
härmt ich mich ab von früh bis spät,
sodass mein Herz bei Nacht und Tag
als wie auf heißen Kohlen lag.
Und war es dir nicht heiß genug,
das Herz, das ich im Busen trug,
so nimm es denn zu dieser Frist,
wenn dir's gebacken lieber ist!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hanns Freiherr von Gumppenberg (1866-1928)
Liebesjubel
Ich ritzt’ es gern in alle Rüben ein,
ich stampft’ es gern in jeden Pflasterstein,
ich biss’ es gern in jeden Apfel rot,
ich strich’ es gern auf jedes Butterbrot,
auf Wand, Tisch, Boden, Fenster möcht’ ich’s schreiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!
Ich schör’ es gern in jede Taxusheck,
graviert’ es gern in jedes Essbesteck,
ich sät’ es gern als lecker grüne Saat
ins Gartenbeet mit Kohlkopf und Salat,
in alle Marzipane möcht’ ich’s drücken
und spicken gern in alle Hasenrücken
und zuckerzäh auf alle Torten treiben:
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!
Ich möcht’ mir ziehn ein junges Känguruh,
bis dass es spräch’ die Worte immerzu;
zehn junge Kälbchen sollen froh sie brüllen;
hell wiehern hundert buntgescheckte Füllen;
trompeten eine Elefantenherde -
ja, was nur kreucht und fleucht auf dieser Erde,
das soll sie schmettern, pfeifen, quaken, bellen,
bis dass es dröhnt in allen Trommelfellen
mit einem Lärm, der gar nicht zu beschreiben
Dein ist mein Herz und soll es ewig bleiben!!!
(nach Wilhelm Müllers Ungeduld.)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Erich Mühsam (1878-1934)
Liebesweh
Zähre rieselt mir um Zähre
in des Betts zerwühltes Laken.
Bange Angstgedanken haken
sich an meiner Seele Schwere.
Schmerzgekrümmt sind meine Beine;
traurig triefend hängt der Bart
von den Tränen, die ich weine -
und die Nase trieft apart...
Ach, es ist der Traum der Liebe,
den ich durch die Seele siebe.
Ach, es ist der Liebe Weh,
das mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -
Armes Herz! Die Träume wittern
fernen Trost. Ich spann die Ohren -
und durch meiner Seele Zittern,
fernher flüsternd, traumverloren,
murmelt ein geliebter Mund:
Schlapper Hund!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~