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Marie Ebner-Eschenbach (1830-1916)
Grenzen der Liebe
Alles kann Liebe:
zürnen und zagen,
leiden und wagen,
demütig werben,
töten, verderben,
alles kann Liebe.
Alles kann Liebe:
lachend entbehren,
weinend gewähren,
heißes Verlangen
nähren in bangen,
in einsamen Tagen -
alles kann Liebe -
nur nicht entsagen!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Rückert (1788-1866)
Ich denk’ an dich...
Ich denk’ an dich, und meine Seele ruht
In dem Gedanken aus an dich,
Dem Schiffer gleich, der aus bewegter Flut
Zum stillen Hafen rettet sich.
Als wie am Tag ein wilder Vogel fliegt,
Waldaus, Waldein, nach seiner Lust,
Doch bei der Nacht ins weiche Nest sich schmiegt,
So schmieg’ ich mich an deine Brust.
Ich ruh’ in dir, in deiner Liebe ruht
Der Drang der Seele wild und scheu;
Unsicher ist des Lebensmeeres Flut,
Und du allein bist ewig treu.
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Francesco Petrarca (1304-1374)
Ist Liebe lauter nichts...
Ist Liebe lauter nichts, wie dass sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwohl was, wem ist ihr Tun bewusst?
Ist sie auch recht und gut, wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut, wie dass man Freud aus ihr empfindet?
Lieb ich gar williglich, wie dass ich Schmerzen trage?
Muss ich es tun, was hilfts, dass ich solch Trauren führ?
Tu ichs nicht gern, wer ists, der es befiehlet mir?
Tu ichs gern, warum, dass ich mich dann beklage?
Ich wanke wie das Gras, so von den kühlen Winden
Um Vesperzeit bald hin geneiget wird, bald her.
Ich walle wie ein Schiff, das in dem wilden Meer
Von Wellen umgejagt nicht kann zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich will, ich will nicht was ich weiß,
Im Sommer ist mir kalt, im Winter ist mir heiß.
(aus dem Italienischen von Martin Opitz)
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Hermann von Lingg (1820-1905)
Ja, einmal nimmt der Mensch...
Ja, einmal nimmt der Mensch von seinen Tagen
Im voraus schon des Glückes Zinsen ein,
Und spricht: ich will den Kranz der Freude tragen,
Mag, was darauf folgt, nur noch Asche sein.
Die vollen Becher! Lass uns alles wagen!
Ja einmal will ich auf den Mittagshöhn
Des Lebens stehn und dann am Ende sagen:
Wie war es doch so schön!
Wie war der Traum so schön! Da wir uns liebten,
Da blühten Rosen um den Trauerzug;
Im Schaum der Tage, die sonst leer zerstiebten,
War eine Perle, reich und stolz genug.
Ich will den Arm um deinen Nacken schlingen,
Und durch die Ferne der Erinnrung tön':
Kann keine Zeit das Glück uns wiederbringen –
Wie war es doch so schön!
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Max Dauthendey (1867-1918)
Küsste ich zur Nacht
Ach, wie fröhlich und gesund
Mich die Liebe macht!
Bin der beste Mensch am Tag,
Küsste ich zur Nacht.
Arbeit tut von selber gehn,
Jeder Schritt ist Dank,
Reden, die ich reden muss,
Red' ich frei und frank.
Heller wird mir jeder Tag,
Weiß, wohin man sieht,
Weiß, wenn’s Abend werden will,
Wozu das geschieht.
Herrlich kommt die dunkle Nacht,
Die den Mund mir gibt,
Der mich bis zum hellen Tag
Unter Küssen liebt.
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Robert Eduard Prutz (1816-1872)
Liebe
Was die Liebe kann begehren,
Liebe darf es frei gewähren.
Was von Liebe ward verschuldet,
Gern von Liebe wird’s geduldet.
Alles Fehlen, alles Irren,
Liebe weiß es zu entwirren;
Trägt mit seliger Gebärde
Alle Not und Schuld der Erde;
Am Geliebten jeden Flecken
Weiß sie sorgsam zu verdecken;
Ja, ihn völlig freizusprechen,
Lächelnd teilt sie sein Verbrechen.
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Johann Gottfried Herder (1744-1803)
Liebe
Hätt’ ich Menschen-, hätt’ ich Engelzungen,
Würde Gottes Lob von mir gesungen
Wie ein Sternen-, wie des Himmels Sang,
Und mir fehlete die Liebe,
Liebe, Liebe:
Ohne Dich sind meine Lieder toter Schellenklang!
Hätt’ ich Prophezeihung, alle Tiefen
Der Geheimnisse, Erkenntnistiefen,
Berge zu versetzen, hätt’ ich Macht,
Und mir fehlete die Liebe,
Liebe, Liebe:
Ohne Dich wär all mein Glaube, all mein Wissen Nacht!
Gäb’ ich Armen alle meine Habe,
Gäbe meinen Leib zur Gottesgabe
Preis dem Feuer, lachete der Glut,
Und mir fehlete die Liebe,
Liebe, Liebe:
Ohne Dich ist Tun und Leiden leere, blinde Wut!
Liebe, Du bist gütig, freundlich, milde,
Neidlos, eiferst nimmer toll und wilde,
Nimmer stolz und ungebärdig nie,
Nicht argwöhnisch, suchst das Meine,
Nicht das Deine:
Nur die Wahrheit, nicht die Lüge, Gutes freuet sie!
Alles deckt sie, glaubt sie, hofft sie, duldet,
Duldet Alles, was sie nie verschuldet.
Liebe, Du wirst bleiben, Du allein!
Alle Gaben werden schwinden,
Sprachen schwinden,
Alles Stückwerk der Erkenntnis: Liebe nur wird sein!
Stückwerk ist mein Wissen, mein Vergleichen;
Kommt das Ganze, muss das Stückwerk weichen;
Kind ist Kind und klügelt wie ein Kind.
Wird ein Mann an Kindereien
Sich erfreuen?
Er, ein Mann, ist männlicher gesinnt.
Jetzt im Rätsel, jetzt im dunkeln Spiegel,
Einst erscheinet uns der Wahrheit Siegel
Wirklich, Angesicht zu Angesicht:
Glaube bleibet, Hoffnung, Liebe,
Doch die Liebe
Ist die größte Aller, Liebe nur weicht nicht.
(Der zugrunde liegende Text ist Paulus Korintherbrief 1,13.)
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Karoline von Günderrode (1780-1806)
Liebe
O reiche Armut! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Mut! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage,
Siegend mit zaghaftem Bangen.
Lebendiger Tod, im Einen sel’ges Leben
Schwelgend in Not, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachten,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.
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Alfred Lord Tennyson (1809-1892)
Liebe und Tod
Die Liebe schritt, als voll das Mondlicht schien,
Des Paradieses Thymianflur entlang
Und spähte hell umher auf ihrem Gang.
Da sah sie plötzlich unterm Eibenbaum
Alleine wandelnd, redend wie ein Traum,
Den Tod; zum ersten Male sah sie ihn.
Flieh, sprach der Tod; denn dieser Pfad ist mein!
Die Liebe weint' und wandte sich, zu fliehn;
Doch scheidend sprach sie: Diese Stund ist dein;
Du bist des Lebens Schatten; wie der Baum
Im Sonnenlicht beschattet rings die Matten,
So wirft im lichtbestrahlten Weltenraum
Das große Leben rings des Todes Schatten;
Der Schatten schwindet mit des Baumes Fall,
Ich aber herrsche ewig ob dem All.
(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)
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Ernst Moritz Arndt (1769-1860)
Liebesnähe
Lieb’ sei ferne,
Ist doch immer da,
Gleich dem Licht der Sterne
Ewig fern und nah.
Schließt Gedanken
Wohl ein Kerker ein?
Glück und Stunden wanken,
Das Gefühl ist mein.
Leuchte, Sonne!
Wandle, frommer Mond!
Meines Busens Wonne
Hoch mit Göttern thront.
Frühling, scheine!
Winter, stürme kalt!
In der Brust dies eine
Nimmer wird es alt.
Holde Treue,
Weiß und engelrein!
Wie des Himmels Bläue
Bleibt dein lichter Schein.
Sei denn ferne
Liebe, sei sie nah,
Gleich dem Licht der Sterne
Immer ist sie da.
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Friedrich Halm (1806-1871)
Mein Herz, ich will dich fragen
Mein Herz, ich will dich fragen,
Was ist denn Liebe? Sag!
„Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!“
Und sprich, woher kommt Liebe?
„Sie kommt und sie ist da!“
Und sprich, wie schwindet Liebe?
„Die war's nicht, der's geschah!“
Und was ist reine Liebe?
„Die ihrer selbst vergisst!“
Und wann ist Lieb' am tiefsten?
„Wenn sie am stillsten ist!“
Und wann ist Lieb' am reichsten?
„Das ist sie, wenn sie gibt!“
Und sprich: Wie redet Liebe?
„Sie redet nicht, sie liebt!“
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Johanne Charlotte Unzer (1725-1782)
Meine Art zu lieben
Ohne Schmerzen wirkt die Liebe
Ekel beim Genuss.
Ohne Martern sind die Triebe
Laue Flammen lauer Liebe,
Die man Greisen gönnen muss.
Von der Unruh in dem Herzen
Nährt die Liebe sich.
Heiße Liebe mischt die Schmerzen
In die Wollust junger Herzen,
Und, mein Freund, so lieb ich Dich.
Bald ein Abgrund, bald ein Himmel
Öffnet sich für mich.
Im beständigen Getümmel
Aller Triebe, wacht, vom Himmel,
Ein getreuer Trieb für Dich.
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Emanuel Geibel (1815-1884)
Minnelied
Es gibt wohl manches, was entzücket,
Es gibt wohl vieles, was gefällt;
Der Mai, der sich mit Blumen schmücket,
Die güldne Sonn' im blauen Zelt.
Doch weiß ich eins, das schafft mehr Wonne
Als jeder Glanz der Morgensonne,
Als Rosenblüt' und Lilienreis:
Das ist, getreu im tiefsten Sinne
Zu tragen eine fromme Minne,
Davon nur Gott im Himmel weiß.
Wem er ein solches Gut beschieden,
Der freue sich und sei getrost!
Ihm ward ein wunderbarer Frieden,
Wie wild des Lebens Brandung tost.
Mag alles Leiden auf ihn schlagen:
Sie lehrt ihn nimmermehr verzagen,
Sie ist ihm Hort und sichrer Turm;
Sie bleibt im Labyrinth der Schmerzen
Die Fackelträgerin dem Herzen,
Bleibt Lenz im Winter, Ruh' im Sturm.
Doch suchst umsonst auf irrem Pfade
Die Liebe du im Drang der Welt;
Denn Lieb' ist Wunder, Lieb' ist Gnade,
Die wie der Tau vom Himmel fällt.
Sie kommt wie Nelkenduft im Winde,
Sie kommt, wie durch die Nacht gelinde
Aus Wolken fließt des Mondes Schein;
Da gilt kein Ringen, kein Verlangen,
In Demut magst du sie empfangen,
Als kehrt' ein Engel bei dir ein.
Und mit ihr kommt ein Bangen, Zagen,
Ein Träumen aller Welt versteckt;
Mit Freuden musst du Leide tragen,
Bis aus dem Leid ihr Kuss dich weckt;
Dann ist dein Leben ein geweihtes,
In deinem Wesen blüht ein zweites,
Ein reineres von Licht und Ruh';
Und todesfroh in raschem Fluten
Fühlst du das eigne Ich verbluten,
Weil du nur wohnen magst im Du.
Das ist die köstlichste der Gaben,
Die Gott dem Menschenherzen gibt,
Die eitle Selbstsucht zu begraben,
Indem die Seele glüht und liebt.
O süß Empfangen, sel'ges Geben!
O schönes Ineinanderweben!
Hier heißt Gewinn, was sonst Verlust.
Je mehr du schenkst, je froher scheinst du,
Je mehr du nimmst, je sel'ger weinst du -
O gib das Herz aus deiner Brust!
In ihrem Auge deine Tränen,
Ihr Lächeln sanft um deinen Mund,
Und all dein Denken, Träumen, Sehnen,
Ob's dein, ob's ihr, dir ist's nicht kund.
Wie wenn zwei Büsche sich verschlingen,
Aus denen junge Rosen springen,
Die weiß, die andern rot erglüht,
Und keiner merkt, aus wessen Zweigen
Die hellen und die dunkeln steigen:
So ist's; du fühlest nur: es blüht.
Es blüht; es ist ein Lenz tiefinnen,
Ein Geisteslenz für immerdar;
Du fühlst in dir die Ströme rinnen
Der ew'gen Jugend wunderbar.
Die Flammen, die in dir frohlocken,
Sind stärker als die Aschenflocken,
Mit denen Alter droht und Zeit;
Es leert umsonst der Tod den Köcher,
So trinkst du aus der Liebe Becher
Den süßen Wein: Unsterblichkeit.
Spät ist es - hinter dunkeln Gipfeln
Färbt golden sich der Wolken Flaum;
Tiefrötlich steigt aus Buchenwipfeln
Der Mond empor am Himmelssaum.
Der Wind fährt auf in Sprüngen, losen,
Und spielet mit den weißen Rosen,
Die rankend blühn am Fenster mir.
O säuselt, säuselt fort, ihr Lüfte,
Und tragt, getaucht in Blumendüfte,
Dies Lied und meinen Gruß zu ihr!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php
Nimmersatte Liebe
So ist die Lieb! So ist die Lieb!
Mit Küssen nicht zu stillen:
Wer ist der Tor und will ein Sieb
Mit eitel Wasser füllen?
Und schöpfst du an die tausend Jahr,
Und küssest ewig, ewig gar,
Du tust ihr nie zu Willen.
Die Lieb, die Lieb hat alle Stund
Neu wunderlich Gelüsten;
Wir bissen uns die Lippen wund,
Da wir uns heute küssten.
Das Mädchen hielt in guter Ruh,
Wie’s Lämmlein unterm Messer;
Ihr Auge bat: nur immer zu,
Je weher, desto besser!
So ist die Lieb, und war auch so,
Wie lang es Liebe gibt,
Und anders war Herr Salomo,
Der Weise, nicht verliebt.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ferdinand Freiligrath (1810-1876)
O lieb’, solang du lieben kannst!
O lieb’, solang du lieben kannst!
O lieb’, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
Und sorge, dass dein Herze glüht
Und Liebe hegt und Liebe trägt,
Solang ihm noch ein ander Herz
In Liebe warm entgegenschlägt!
Und wer dir seine Brust erschließt,
O tu ihm, was du kannst, zulieb’!
Und mach’ ihm jede Stunde froh,
Und mach’ ihm keine Stunde trüb!
Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
O Gott, es war nicht bös gemeint, -
Der andre aber geht und klagt.
O lieb’, solang du lieben kannst!
O lieb’, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
Dann kniest du nieder an der Gruft
Und birgst die Augen, trüb und nass,
- Sie sehn den andern nimmermehr -
Ins lange, feuchte Kirchhofsgras.
Und sprichst: O schau’ auf mich herab,
Der hier an deinem Grabe weint!
Vergib, dass ich gekränkt dich hab'!
O Gott, es war nicht bös gemeint!
Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, dass du ihn froh umfängst;
Der Mund, der oft dich küsste, spricht
Nie wieder: Ich vergab dir längst!
Er tat’s, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Träne fiel
Um dich und um dein herbes Wort -
Doch still - er ruht, er ist am Ziel!
O lieb’, solang du lieben kannst!
O lieb’, solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde kommt,
Wo du an Gräbern stehst und klagst!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~