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Gedichte vom Leben – Dichter 1 2 3 4 · Titel 1 2 3 4 · Beliebteste · Neueste

Stefan George (1868-1933)

Vogelschau

Weisse schwalben sah ich fliegen ·
Schwalben schnee- und silberweiss ·
Sah sie sich im winde wiegen ·
In dem winde hell und heiss.

Bunte häher sah ich hüpfen ·
Papagei und kolibiri
Durch die wunder-bäume schlüpfen
In dem wald der Tusferi.

Grosse raben sah ich flattern ·
Dohlen schwarz und dunkelgrau
Nah am grunde über nattern
Im verzauberten gehau.

Schwalben seh ich wieder fliegen ·
Schnee- und silberweisse schar ·
Wie sie sich im winde wiegen
In dem winde kalt und klar!

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Klabund (1890-1928)

Wanderung

Ich bin so alleine,
Wer ist denn bei mir?
Es sprechen die Steine;
Es lächelt das Tier.

Ihr Vögel habt Flügel;
Es drückt mich der Schuh.
Ihr Bäume, ihr Hügel,
O kommt auf mich zu!

Umarme mich, Tanne!
Ich sinke so hold.
O, tränke mich, Kanne
Des Mondes, mit Gold!

Wo werden wir rasten?
Das Dunkel weht kalt.
Wir liebten, wir hassten,
Nun wurden wir Wald.

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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/goethe.php

Was wird mir jede Stunde...

Was wird mir jede Stunde so bang? –
Das Leben ist kurz, der Tag ist lang.
Und immer sehnt sich fort das Herz,
Ich weiß nicht recht, ob himmelwärts;
Fort aber will es hin und hin
Und möchte vor sich selber fliehn.
Und fliegt es an der Liebsten Brust,
Da ruht’s im Himmel unbewusst;
Der Lebestrudel reißt es fort,
Und immer hängt's an Einem Ort;
Was es gewollt, was es verlor,
Es bleibt zuletzt sein eigner Tor.

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Percy Bysshe Shelley (1792-1822)

Wechsel

Wir gleichen Wolken, die den Mond verhüllen;
Wie blinkend sie in rastlos ziehnder Jagd
Mit streifigem Licht die Dunkelheit erfüllen,
Doch bald auf ewig schwinden in die Nacht!

Dem Saitenspiele auch, verstimmt, verschollen,
Dem jeder Wind entlocket andern Ton,
Und dem beim nächsten Hauche nie entquollen
Derselbe Klang, der eben ihm entflohn.

Wir ruhn - ein Traum kann unsern Schlaf vernichten;
Wir wachen - ein Gedanke trübt den Tag;
Wir fühlen, lachen, weinen, denken, dichten,
In Weh und Jubel bebt des Herzens Schlag:

Es bleibt sich gleich! - Der Freude wie den Sorgen
Ist stets zum Flug die Schwinge ausgespannt;
Des Menschen Gestern gleichet nie dem Morgen,
Und nichts als nur der Wechsel hat Bestand.

(aus dem Englischen von Adolf Strodtmann)

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August von Platen (1796-1835)

Wer wusste je das Leben...

Wer wusste je das Leben recht zu fassen,
Wer hat die Hälfte nicht davon verloren
Im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Toren,
In Liebesqual, im leeren Zeitverprassen?

Ja, der sogar, der ruhig und gelassen,
Mit dem Bewusstsein, was er soll, geboren,
Frühzeitig einen Lebensgang erkoren,
Muss vor des Lebens Widerspruch erblassen.

Denn Jeder hofft doch, dass das Glück ihm lache,
Allein das Glück, wenn's wirklich kommt, ertragen,
Ist keines Menschen, wäre Gottes Sache.

Auch kommt es nie, wir wünschen bloß und wagen:
Dem Schläfer fällt es nimmermehr vom Dache,
Und auch der Läufer wird es nicht erjagen.

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