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Friedrich Hebbel (1813-1863)
An ein schönes Kind
Du blickst, um deiner Mutter Hals dich schmiegend,
Mich hold und lächelnd an, ein sel'ger Stummer;
Die Wonne schließt den Mund, ihn löst der Kummer,
Du brauchst die Sprache nicht, in Luft dich wiegend.
Doch jetzt, der Kraft des Lenzes still erliegend,
Durch Bienen eingesurrt und and're Summer,
Von Duft betäubt, fällst du in tiefen Schlummer,
Ein Rosenblatt, in einen Brunnen fliegend.
O! würdest du der Maler und der Dichter
Gewaltigster, du wirst durch all dein Ringen
Das Höchste nie, wie jetzt im Spiel, verraten,
Nie so das Schöne durch der Farbe Lichter,
Nie so das Reine durch dein frömmstes Singen,
Nie so das Menschlich-Göttliche durch Taten!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ludwig Uhland (1787-1862)
Auf ein Kind
Aus der Bedrängnis, die mich wild umkettet,
Hab ich zu dir mich, süßes Kind! gerettet,
Damit ich Herz und Augen weide
An deiner Engelfreude,
An dieser Unschuld, dieser Morgenhelle,
An dieser ungetrübten Gottesquelle.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Hebbel (1813-1863)
Auf ein schlummerndes Kind
Wenn ich, o Kindlein, vor dir stehe,
Wenn ich im Traum dich lächeln sehe,
Wenn du erglühst so wunderbar,
Da ahne ich mit süßem Grauen:
Dürft' ich in deine Träume schauen,
So wär' mir Alles, Alles klar!
Dir ist die Erde noch verschlossen,
Du hast noch keine Lust genossen,
Noch ist kein Glück, was du empfingst;
Wie könntest du so süß denn träumen,
Wenn du nicht noch in jenen Räumen,
Woher du kamest, dich erging'st?
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Klabund (1890-1928)
Ballade vom toten Kind
Wie ward mein Überfluss so karg!
Ich muss mich mein erbarmen.
Ich halte auf den Armen
Einen kleinen Sarg.
Es reichen sich die Hände
Geschlechter ohne Ende –
Wer endet? wer begann?
Ich bin nun Sinn und Sitte,
Und meine Hand ist Mittelshand,
Ich bin der Erde Mitte
Und bin der Mittelsmann.
Ich stehe an der Leiter,
Die in die Grube führt.
Und reich der Erde weiter
Das Herz, das ihr gebührt.
Schon stürmt es in den Lüften,
Der Frühling stürzt herein.
Es knien alle Berge,
Es brechen alle Särge,
Und aus den Veilchengrüften
Wie Jesus Christus weiland
Steigt schon der neue Heiland
Und will dein Kindlein sein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php
Da ich ein Knabe war...
Da ich ein Knabe war,
Rettet’ ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.
Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,
So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!
O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Dass ihr wüsstet,
Wie euch meine Seele geliebt!
Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.
Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Äthers
Der Menschen Worte verstand ich nie.
Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt ich
Unter den Blumen.
Im Arme der Götter wuchs ich groß.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich Hebbel (1813-1863)
Das Kind
Die Mutter lag im Totenschrein,
Zum letztenmal geschmückt;
Da spielt das kleine Kind herein,
Das staunend sie erblickt.
Die Blumenkron' im blonden Haar
Gefällt ihm gar zu sehr,
Die Busenblumen, bunt und klar,
Zum Strauß gereiht, noch mehr.
Und sanft und schmeichelnd ruft es aus:
"Du liebe Mutter, gib
Mir eine Blum' aus deinem Strauß,
Ich hab' dich auch so lieb!"
Und als die Mutter es nicht tut,
Da denkt das Kind für sich:
“Sie schläft, doch wenn sie ausgeruht,
So tut sie's sicherlich.“
Schleicht fort, so leis' es immer kann,
Und schließt die Türe sacht
Und lauscht von Zeit zu Zeit daran,
Ob Mutter noch nicht erwacht.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Emanuel Geibel (1815-1884)
Das sterbende Kind
Wie doch so still dir am Herzen
Ruhet das Kind!
Weiß nicht, wie Mutterschmerzen
So herbe sind.
Auf Stirn und Lippen und Wangen
Ist schon vergangen
Das süße Rot;
Und dennoch heimlicherweise
Lächelt es leise -
Leise
Küsset der Tod.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Die Kinder
1. Abends
Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann;
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.
Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
Will nirgend anders sein;
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.
2.
Mein Häwelmann, mein Bursche klein,
Du bist des Hauses Sonnenschein,
Die Vögel singen, die Kinder lachen,
Wenn deine strahlenden Augen wachen.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Die Kinder
1. Abends
Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann;
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.
Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
Will nirgend anders sein;
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.
2.
Mein Häwelmann, mein Bursche klein,
Du bist des Hauses Sonnenschein,
Die Vögel singen, die Kinder lachen,
Wenn deine strahlenden Augen wachen.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gottlob Wilhelm Burmann (1727-1805)
Die Kindheit
Noch bin ich ein Kind
Noch fühl ich nur Unschuld und Freuden
Und weiß nicht was Leiden
Und Kümmernis sind.
Noch sehe ich die Welt
So lachend wie Blumengefilde
Voll göttlicher Milde,
Die Alles erhält.
Ich kenne noch nicht
Des Lebens betäubende Sorgen
Die Nacht und der Morgen
Hat Freud im Gesicht!
O lass mich als Kind,
Gott! Leben und Dasein empfinden
Und Seligkeit finden,
Wo Tugenden sind!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Matthias Claudius (1740-1815)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/matthias_claudius.php
Die Mutter bei der Wiege
Schlaf, süßer Knabe, süß und mild!
Du deines Vaters Ebenbild!
Das bist du; zwar dein Vater spricht,
Du habest seine Nase nicht.
Nur eben itzo war er hier
Und sah dir ins Gesicht,
Und sprach: "Viel hat er zwar von mir,
Doch meine Nase nicht."
Mich dünkt es selbst, sie ist zu klein,
Doch muss es seine Nase sein;
Denn wenn's nicht seine Nase wär,
Wo hättst du denn die Nase her?
Schlaf, Knabe, was dein Vater spricht,
Spricht er wohl nur im Scherz;
Hab immer seine Nase nicht,
Und habe nur sein Herz!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Doch ihre Sterne kannst du nicht verschieben
Das Sonderbare und Wunderbare
Ist nicht imstande, ein Kind zu verwirren.
Weil Kinder wie Fliegen durch ihre Jahre
Schwirren. – Nicht wissend, wo sie sind.
Nur vor den angeblich wahren
Deutlichkeiten erschrickt ein Kind.
Das Kind muss lernen, muss bitter erfahren.
Weiß nicht, wozu das frommt.
Hört nur: Das muss so sein.
Und ein Schmerz nach dem andern kommt
In das schwebende Brüstchen hinein.
Bis das Brüstchen sich senkt
Und das Kind denkt.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Du musst das Leben nicht verstehen...
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Franz Werfel (1890-1945)
Elternlied
Kinder laufen fort.
Lang her kanns noch gar nicht sein,
Kamen sie zur Tür herein,
Saßen zwistiglich vereint
Alle um den Tisch.
Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphtherie!
Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töchter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
Nur auf einen Sprung.
Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt,
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
Um den leeren Tisch.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gustav Falke (1853-1916)
Es schneit
Der erste Schnee, weich und dicht,
Die ersten wirbelnden Flocken.
Die Kinder drängen ihr Gesicht
Ans Fenster und frohlocken.
Da wird nun das letzte bisschen Grün
Leise, leise begraben.
Aber die jungen Wangen glühn,
Sie wollen den Winter haben.
Schlittenfahrt und Schellenklang
Und Schneebälle um die Ohren!
- Kinderglück, wo bist du? Lang,
Lang verschneit und erfroren.
Fallen die Flocken weich und dicht,
Stehen wir wohl erschrocken,
Aber die Kleinen begreifens nicht,
Glänzen vor Glück und frohlocken.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~