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Gedichte über Kinder – Dichter 1 2 · Titel 1 2 · Beliebteste · Neueste

Franz Werfel (1890-1945)

Elternlied

Kinder laufen fort.
Lang her kanns noch gar nicht sein,
Kamen sie zur Tür herein,
Saßen zwistiglich vereint
Alle um den Tisch.

Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphtherie!

Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töchter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
Nur auf einen Sprung.

Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt,
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
Um den leeren Tisch.

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Du musst das Leben nicht verstehen...

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

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Richard Dehmel (1863-1920)

Lied an meinen Sohn

Der Sturm behorcht mein Vaterhaus,
mein Herz klopft in die Nacht hinaus,
laut; so erwacht ich vom Gebraus
des Forstes schon als Kind.
Mein junger Sohn, hör zu, hör zu:
In deine ferne Wiegenruh
stöhnt meine Worte dir im Traum der Wind.

Einst hab ich auch im Schlaf gelacht,
mein Sohn, und bin nicht aufgewacht
vom Sturm; bis eine graue Nacht
wie heute kam.
Dumpf brandet heut im Forst der Föhn
wie damals, als ich sein Getön
vor Furcht wie meines Vaters Wort vernahm.

Horch, wie der knospige Wipfelsaum
sich sträubt, sich beugt, von Baum zu Baum;
mein Sohn, in deinen Wiegentraum
zornlacht der Sturm - hör zu, hör zu!
Er hat sich nie vor Furcht gebeugt!
Horch, wie er durch die Kronen keucht:
Sei Du! sei Du!

Und wenn dir einst von Sohnespflicht,
mein Sohn, dein alter Vater spricht,
gehorch ihm nicht, gehorch ihm nicht:
Horch, wie der Föhn im Forst den Frühling braut!
Horch, er bestürmt mein Vaterhaus;
mein Herz tönt in die Nacht hinaus,
laut - - -

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Felicitas Rupprecht (geb. 1976)

Ich bin ich

Es ist unser,
sagen die Eltern.
Ich bin ich,
sagt das Kind.

Es ist Zukunft,
sagen die Alten.
Es ist Rente,
sagt der Minister.
Es ist Liebe,
sagt das Herz.
Ich bin ich,
sagt das Kind

Es ist Ruhestörung,
sagen die Nachbarn.
Es ist Verantwortung,
sagt die Sorge.
Es ist Hoffnung,
sagt das Leben.

Ich bin ich,
sagt das Kind.

(nach Erich Fried)

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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php

Doch ihre Sterne kannst du nicht verschieben

Das Sonderbare und Wunderbare
Ist nicht imstande, ein Kind zu verwirren.
Weil Kinder wie Fliegen durch ihre Jahre
Schwirren. – Nicht wissend, wo sie sind.

Nur vor den angeblich wahren
Deutlichkeiten erschrickt ein Kind.

Das Kind muss lernen, muss bitter erfahren.
Weiß nicht, wozu das frommt.
Hört nur: Das muss so sein.

Und ein Schmerz nach dem andern kommt
In das schwebende Brüstchen hinein.
Bis das Brüstchen sich senkt
Und das Kind denkt.

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Eduard Mörike (1804-1875)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/moerike.php

Unser Fritz

Unser Fritz richt’t seinen Schlag,
Wollt ein Meislein fangen,
Doch weil ihm denselben Tag
Keines drein gegangen,
Wird dem Fritz zu lang die Zeit,
Denkt, ich hab umsonst gestreut,
Will ja keine kommen.

Nach acht Tagen fällt ihm ein,
Im Garten zu spazieren:
Es ist schöner Sonnenschein,
Man kann nicht erfrieren;
Und am alten Apfelbaum
Kommt’s ihm plötzlich wie im Traum:
Ob der Schlag gefallen?

»Ja! es sitzt ein Vogel drin!
Aber, weh! o wehe!
Das ist trauriger Gewinn:
Tot, soviel ich sehe!
– Aber was kann ich dafür?
Sicher hat das dumme Tier
Sich zu Tod gefressen!«

So tröst’t sich dein Mörder wohl,
Der dich hungern lassen,
Aber ich vor Leid und Groll
Weiß mich nicht zu fassen!
Hast alle Körnlein aufgepickt,
Hast dann vergebens umgeblickt,
Wo noch ein Bröslein wäre!

Ihr andern Vöglein allesamt,
Wohl unterm blauen Himmel,
Ihr habt mit Wehgesang verdammt
Den Vogelstellerlümmel.
Ach, eines starb so balde, bald!
Eben da in Feld und Wald
Der Frühling wollte kommen.

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Karl Isidor Beck (1817-1879)

O sieh die Schwalbe...

O sieh die Schwalbe, Knabe mein!
Sie sitzt am Simse, tiefbekümmert,
Indes dein schadenfroher Stein
Das Nest, das traute, ihr zertrümmert.

Du wirfst, mit ungetrübter Lust,
Den Stein in die geweihten Hallen:
Sie schaut, mit Gram in junger Brust,
Die teuren, letzten Trümmer fallen.

Sie flattert fort, sie fliegt umher
Vereinsamt auf den weiten Auen:
Du weißt es nicht, es ist so schwer,
Die neue Heimat sich zu bauen.

Du ruhest längst und schlummerst fest,
Wenn noch die Schwalbe schweift und irret,
Ach! und um ihr zerstörtes Nest
Mit heimatlosem Flügel schwirret;

Wenn ich in düst’rer Mitternacht
Vereinsamt schweife vor den Toren,
Und an das Vaterhaus gedacht,
Das ich verlassen und verloren.

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Ludwig Uhland (1787-1862)

Auf ein Kind

Aus der Bedrängnis, die mich wild umkettet,
Hab ich zu dir mich, süßes Kind! gerettet,
Damit ich Herz und Augen weide
An deiner Engelfreude,
An dieser Unschuld, dieser Morgenhelle,
An dieser ungetrübten Gottesquelle.

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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php

Gottes Segen

Das Kind ruht aus vom Spielen,
Am Fenster rauscht die Nacht,
Die Engel Gotts im Kühlen
Getreulich halten Wacht.

Am Bettlein still sie stehen,
Der Morgen graut noch kaum.
Sie küssen's, eh sie gehen,
Das Kindlein lacht im Traum.

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Friedrich Rückert (1788-1866)

Mein Engelchen...

Mein Engelchen, mein Engelchen,
Du willst gewiss entfliegen!
Gefällt dir's nicht bei uns? o sprich!
So ungeduldig seh' ich dich
Auf deinen Schwingen wiegen.

Mein Engelchen, mein Engelchen,
Du willst gewiss entschweben!
Du wirst ja schöner jeden Tag,
Es zittert meines Herzens Schlag,
Du wirst zu schön für's Leben.

Mein Engelchen, mein Engelchen,
Du willst gewiss entwallen!
Wirst jede Stunde lieber mir,
Ich fühl's mit Furcht, ich hab' an dir
Zu großes Wohlgefallen.

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Clemens Brentano (1778-1842)

Sonett

Es saß ein Kind ganz still zu meinen Füßen,
Und spielte froh mit freundlichen Gedanken,
Es blickt mich an, bis ihm die Blicke sanken,
Und goldne ferne Lande sich erschließen,

Von allen Seiten dringt ein süßes Grüßen,
Das alte Leben muss nun abwärts wanken,
Dass neue frohe Zweige grün umranken
Und rund umher ihm zarte Blumen sprießen.

Das Kind erwacht, und fraget mich mit Bangen,
Ob andern wohl ein solcher Traum gelinge,
Ob ich’s allein mit Zauberei umfangen,

Dass dankbar es die Arme um mich schlinge.
Da rötet mir Verwunderung die Wangen
Woher das Kind die kühne Frag' erschwinge.

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Klabund (1890-1928)

Ballade vom toten Kind

Wie ward mein Überfluss so karg!
Ich muss mich mein erbarmen.
Ich halte auf den Armen
Einen kleinen Sarg.

Es reichen sich die Hände
Geschlechter ohne Ende –
Wer endet? wer begann?
Ich bin nun Sinn und Sitte,
Und meine Hand ist Mittelshand,
Ich bin der Erde Mitte
Und bin der Mittelsmann.

Ich stehe an der Leiter,
Die in die Grube führt.
Und reich der Erde weiter
Das Herz, das ihr gebührt.

Schon stürmt es in den Lüften,
Der Frühling stürzt herein.
Es knien alle Berge,
Es brechen alle Särge,
Und aus den Veilchengrüften

Wie Jesus Christus weiland
Steigt schon der neue Heiland
Und will dein Kindlein sein.

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Friedrich Hebbel (1813-1863)

An ein schönes Kind

Du blickst, um deiner Mutter Hals dich schmiegend,
Mich hold und lächelnd an, ein sel'ger Stummer;
Die Wonne schließt den Mund, ihn löst der Kummer,
Du brauchst die Sprache nicht, in Luft dich wiegend.

Doch jetzt, der Kraft des Lenzes still erliegend,
Durch Bienen eingesurrt und and're Summer,
Von Duft betäubt, fällst du in tiefen Schlummer,
Ein Rosenblatt, in einen Brunnen fliegend.

O! würdest du der Maler und der Dichter
Gewaltigster, du wirst durch all dein Ringen
Das Höchste nie, wie jetzt im Spiel, verraten,

Nie so das Schöne durch der Farbe Lichter,
Nie so das Reine durch dein frömmstes Singen,
Nie so das Menschlich-Göttliche durch Taten!

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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php

Die Kinder

1. Abends
Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann;
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.

Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
Will nirgend anders sein;
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.


2.
Mein Häwelmann, mein Bursche klein,
Du bist des Hauses Sonnenschein,
Die Vögel singen, die Kinder lachen,
Wenn deine strahlenden Augen wachen.

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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php

Die Kinder

1. Abends
Auf meinem Schoße sitzet nun
Und ruht der kleine Mann;
Mich schauen aus der Dämmerung
Die zarten Augen an.

Er spielt nicht mehr, er ist bei mir,
Will nirgend anders sein;
Die kleine Seele tritt heraus
Und will zu mir herein.


2.
Mein Häwelmann, mein Bursche klein,
Du bist des Hauses Sonnenschein,
Die Vögel singen, die Kinder lachen,
Wenn deine strahlenden Augen wachen.

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