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Gedichte über das Aufwachsen – Dichter 1 2 · Titel 1 2 · Beliebteste · Neueste

Paula Dehmel (1862-1918)

Ereignis

Hurra, zum ersten Mal!
Mutter, der Peter,
hurra, da steht er;
hält sich am Röckchen,
hält sich am Stöckchen,
grade wie'n Licht,
fürchtet sich nicht.

Hurra, zum ersten Mal!
Mutter, der Peter,
hurra, da geht er;
guck, ganz alleinechen
setzt er die Beinechen,
aua, Geschrei –
bautz – vorbei!

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Rudolf Presber (1867-1935)

Erinnerung

Der Abend kam. Die Schatten fielen.
Rings an den Fenstern ward es hell.
Die Kleine, müd' von Lauf und Spielen,
Lag mir am Fuß im Bärenfell.

Die nackten Beinchen hochgezogen,
Hielt sie in kleiner Hand den Stift
Und füllte meinen schönsten Bogen
Mit Häkchen einer Runenschrift.

Rings war's so still, wie zum Gebete;
Der ems'ge Stift nur raschelt leis...
Es schrieb kein Dichter und Prophete
Sein Weisheitsbuch mit größrem Fleiß!

Da plötzlich schmeichelnd mit den lieben
Äuglein mein Kindchen zu mir schlich:
"Weißt du, Papa, was ich geschrieben?" -
"Ein Briefchen?" - "Ja." - "An wen?" -
"An dich!"

"Goldkind, an mich? Was steht darinnen?
Der Abend macht die Augen trüb..."
Und sie nach lächelndem Besinnen:
"Dass ich dich lieb hab', furchtbar lieb!"

Es floss ein letzter Sonnenschimmer
Ums Köpfchen ihr mit goldnem Hauch -
"Das schreibst du mir im selben Zimmer?
Sag's mir doch laut, dann weiß ich's auch."

Da sah mich an das kleine Wesen
Und reicht das Blatt mir lächelnd hin:
"Behalt's, Papa, dann kannst du's lesen,
Wenn ich mal nicht im Zimmer bin..."

... O bittres Wort aus lieben Zeiten,
Das du der Sehnsucht Flügel leihst!
Es schlug die Stunde längst zum Scheiden,
Und dieses Zimmer ist verwaist.

Und dieses Herz, die Sorgen machen's
Oft müd' und schwer auf banger Fahrt;
Und kaum ein Echo deines Lachens
Hat sich sein Kämmerchen bewahrt.

Von deinem Jauchzen, deinem Lieben,
Von all dem, was sich nie vergisst,
Ist nur ein Blatt zurückgeblieben,
Das wirr und kraus bekritzelt ist...

Und in der Stille heil'ger Stunden
Ruht lang mein Blick auf dem Papier;
Dann brechen auf die alten Wunden,
Und meine Seele weint nach dir.

Dann will ein heißer Duft mich streifen
Aus meines toten Frühlings Gruft,
Und zitternd meine Hände greifen
In leere Luft.

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Paula Dehmel (1862-1918)

Fragefritze und die Plappertasche

Fritz, ich möcht den Spaten haben.
"Mutterchen, warum?"
Möchte eine Grube graben.
"Mutterchen, warum?"

Möchte drin ein Bäumchen pflanzen.
"Mutterchen, warum?"
Wird mein Fritze drunter tanzen.
"Mutterchen, warum?"

Wird das Bäumchen Kirschen tragen.
"Mutterchen, warum?"
Ei, du musst die Spatzen fragen,
die sind nicht so dumm! –

Kommt die kleine Plappertasche:
"Mutterchen, nicht wahr,
ich bin klüger als der Fritze,
bin schon bald sechs Jahr!

Mutterchen, nicht wahr, der Fritze
ist ein Schaf, o je!
Ich kann schon bis zwanzig zählen
und das A-B-C!"

Ih, du kleine Plappertasche,
lass den Fritz in Ruh!
Plappertasche, wische wasche,
halt das Mäulchen zu!

Übermorgen in acht Wochen
kommt der Weihnachtsmann;
wenn du dann noch immer plapperst,
was bekommst du dann?

Einen großen Maulkorb! –

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Adalbert Stifter (1805-1868)

Im Winter

Kinder lieben sehr den Schnee,
Spielen gern darin:
Erstgebornes Kindchen, geh
Auch zum Schnee dahin.

Spiele mit dem weißen Flaum,
Sieh, er ist so rein:
Wird nach wenig Tagen kaum
Schnee und Kind mehr sein.

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unbekannt

In der Schultüte

Nimm die Schule stets so ernst,
dass du ihren Sinn erfasst:
Wichtig ist, dass du was lernst!
Mitgemacht und aufgepasst!

Nimm zum heutigen Schulbeginn
meine besten Wünsche hin:
Dass die Schulzeit schmackhaft sei,
so wie diese Leckerei.

Pass auf! Man kann in allen Stunden
der Schulzeit Nützliches entdecken.
Lass dir das Lernen immer munden!
Und lass dir meine Gaben schmecken!

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unbekannt

Kindergartenzeit ade

Kindergartenzeit ade,
jetzt lernst du das ABC.
Stolz wirst du den Ranzen tragen
und neugierig so manches fragen.

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Detlev von Liliencron (1844-1909)

Kinderland, du Zauberland

Kinderland, du Zauberland,
Haus und Hof und Hecken.
Hinter blauer Wälderwand
spielt die Welt Verstecken.

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/rilke.php

Kindheit

Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen...
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontänen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit –.
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen –:
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.

Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen –:
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.

Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblasst,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nachhaus zu gehn, fest angefasst –:
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.

Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien –:
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?

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Friedrich Wilhelm Güll (1812-1879)

Kletterbüblein

Steigt das Büblein auf den Baum,
O so hoch, man sieht es kaum!
Schlüpft
Von Ast zu Ästchen
Hüpft
Zum Vogelnestchen
Ui!
Da lacht es,
Hui!
Da kracht es,
Plumps, da liegt es drunten.

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Martin Luther (1483-1546)

Liebes Kind, lernest du wohl...

Liebes Kind, lernest du wohl,
so wirst du guter Hühner voll,
Lernest du aber übel,
So musst du mit den Sauen essen aus dem Kübel.

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Matthias Claudius (1740-1815)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/matthias_claudius.php

Motetto, als der erste Zahn durch war

Victoria! Victoria!
Der kleine weiße Zahn ist da.
Du Mutter! komm, und groß und klein
Im Hause! kommt, und kuckt hinein,
Und seht den hellen weißen Schein.

Der Zahn soll Alexander heißen.
Du liebes Kind! Gott halt ihn Dir gesund,
Und geb Dir Zähne mehr in Deinen kleinen Mund,
Und immer was dafür zu beißen!

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Richard Dehmel (1863-1920)

Staatsereignis

Hurrra, zum ersten Mal:
Mutter, der Peter,
hurra, jetzt geht er!
Kuck, ganz alleinechen
setzt er die Beinechen,
ganz wie zur Reichstagswahl,
wie Onkel Wackelpfahl!
Aua, Geschrei:
bautz, vorbei!

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