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Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Glaube nur
Wenn im Sommer der rote Mohn
Wieder glüht im gelben Korn,
Wenn des Finken süßer Ton
Wieder lockt im Hagedorn,
Wenn es wieder weit und breit
Feierklar und fruchtstill ist,
Dann erfüllt sich uns die Zeit,
Die mit vollen Maßen misst,
Dann verebbt, was uns bedroht,
Dann verweht, was uns bedrückt,
Über dem Schlangenkopf der Not
Ist das Sonnenschwert gezückt.
Glaube nur! Es wird geschehn!
Wende nicht den Blick zurück!
Wenn die Sommerwinde wehn,
Werden wir in Rosen gehn,
Und die Sonne lacht uns Glück.
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Cäsar Flaischlen (1864-1920)
Glück
Nun ward es Sommer und die Rosen blühn und blaue Sterne blitzen durch die Nacht ...
und durch die Nacht und ihre blühenden Rosen und ihre glück-tieffrohe Stille hingehen wir ... zwei selige Kinder ...
und endlos vor uns breitet sich ... in wunderbarer Helle, von reifendem Korn durchrauscht, die schöne Welt.
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Oskar Kanehl (1888-1929)
Gluthitze
Auf den Straßen weicht der Asphalt
und klebt an Hufen und Rädern,
alles strömt zur Volksschwimmanstalt,
die Herrschaften sind in den Bädern.
In den Trambahnen stickt man vor Schweißgeruch.
Am Tage schläft man. Nachts im Café
kriegt man nicht Speiseeis genug
und leidet ewig an Diarrhö.
Durch dünne Blusen lugen Frauenbrüste,
müde und schlaffe, straffe und junge.
Nackt hängen die Maurer im Gerüste,
den Hunden leckt die trockene Zunge.
Man ist zu keiner Arbeit bereit,
die Pferde fallen vor den Rädern,
die Dirnen haben schlechte Zeit:
die Herrschaften sind in den Bädern.
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Theodor Fontane (1819-1898)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_fontane.php
Guter Rat
An einem Sommermorgen
Da nimm den Wanderstab,
Es fallen deine Sorgen
Wie Nebel von dir ab.
Des Himmels heitere Bläue
Lacht dir ins Herz hinein,
Und schließt, wie Gottes Treue,
Mit seinem Dach dich ein.
Rings Blüten nur und Triebe
Und Halme von Segen schwer,
Dir ist, als zöge die Liebe
Des Weges nebenher.
So heimisch alles klinget
Als wie im Vaterhaus,
Und über die Lerchen schwinget
Die Seele sich hinaus.
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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Hinter den Tannen
Sonnenschein auf grünem Rasen,
Krokus drinnen blau und blass;
Und zwei Mädchenhände tauchen
Blumen pflückend in das Gras.
Und ein Junge kniet daneben,
Gar ein übermütig Blut,
Und sie schaun sich an und lachen –
O wie kenn ich sie so gut!
Hinter jenen Tannen war es,
Jene Wiese schließt es ein –
Schöne Zeit der Blumensträuße,
Stiller Sommersonnenschein!
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Hermann von Lingg (1820-1905)
Hochsommer
O Frühling, holder fahrender Schüler,
Wo zogst du hin? Die Linden blühn,
Die Nächte werden stiller, schwüler,
Und dichter schwillt das dunkle Grün.
Doch ach! die schönen Stunden fehlen,
Wo jedes Leben überquoll,
Wo trunken alle Schöpfungsseelen
Ins Blaue schwärmten wollustvoll.
Nicht singt mehr, wie am Maienfeste,
Die Nachtigall, die Rosenbraut;
Sie fliegt zum tiefverborgnen Neste
Mit mütterlich besorgtem Laut.
Der goldne längste Tag ist nieder,
Der Himmel voll Gewitter glüht;
Verklungen sind die ersten Lieder,
Die schönsten Blumen sind verblüht.
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Emanuel Geibel (1815-1884)
Hochsommer
Von des Sonnengotts Geschossen
Liegen Wald und Flur versengt,
Drüber, wie aus Stahl gegossen,
Wolkenlose Bläue hängt.
In der glutgeborstnen Erde
Stirbt das Saatkorn, durstig ächzt
Am versiegten Bach die Herde,
Und der Hirsch im Forste lechzt.
Kein Gesang mehr in den Zweigen!
Keine Lilie mehr am Rain! –
O wann wirst du niedersteigen,
Donnerer, wir harren dein.
Komm, o komm in Wetterschlägen!
Deine Braut vergeht vor Weh –
Komm herab im goldnen Regen
Zur verschmachtenden Danae!
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Georg Trakl (1887-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/georg_trakl.php
In einem alten Garten
Resedaduft entschwebt im braunen Grün,
Geflimmer schauert auf den schönen Weiher,
Die Weiden stehn gehüllt in weiße Schleier
Darinnen Falter irre Kreise ziehn.
Verlassen sonnt sich die Terrasse dort,
Goldfische glitzern tief im Wasserspiegel,
Bisweilen schwimmen Wolken übern Hügel,
Und langsam gehn die Fremden wieder fort.
Die Lauben scheinen hell, da junge Frau'n
Am frühen Morgen hier vorbeigegangen,
Ihr Lachen blieb an kleinen Blättern hangen,
In goldenen Dünsten tanzt ein trunkener Faun.
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Wersch (geb. 1964), literaturnische.de
Jauchzer
o wie grün dieser Sommer
nur die Kornfelder flecken
in den smaragdenen Ozean
Feuerwerk tanzen die Pflanzen
unter Blitzen und Schwüle
trunkenen Reigen als wären sie irre
ach wie mischt es uns unter
wie wir schmelzen in Transparenz
ausbrechen in Weite und Schweiß
zu glühenden Schatten überwunden!
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Felix Dörmann (1870-1928)
Julinacht
Die Mondeslichter rinnen
Aus sterndurchsprengtem Raum
Zur regungslosen Erde,
Die müde atmet kaum.
Wie schlummertrunken schweigen
Die Linden rund umher,
Des Rauschens müde, neigen
Herab sie blütenschwer.
Nur manchmal, traumhaft leise,
Rauscht auf der Wipfel Lied,
Wenn schaurig durchs Geäste
Ein kühler Nachthauch zieht.
Mein Herz ist ruh-umfangen,
Ist weltvergessen still,
Kein Sehnen und Verlangen
Die Brust bewegen will.
Nur manchmal, traumhaft leise,
Durchzieht der alte Schmerz,
Wie Nachtwind durchs Geäste,
Das müdgeliebte Herz.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gustav Falke (1853-1916)
König Sommer
Nun fallen leise die Blüten ab,
Und die jungen Früchte schwellen.
Lächelnd steigt der Frühling ins Grab
Und tritt dem Sommer die Herrschaft ab,
Dem starken, braunen Gesellen.
König Sommer bereist sein Land
Bis an die fernsten Grenzen,
Die Ähren küssen ihm das Gewand,
Er segnet sie alle mit reicher Hand,
Wie stolz sie nun stehen und glänzen.
Es ist eine Pracht unterm neuen Herrn,
Ein sattes Genügen, Genießen,
Und jedes fühlt sich im innersten Kern
So reich und tüchtig. Der Tod ist so fern,
Und des Lebens Quellen fließen.
König Sommer auf rotem Ross
Hält auf der Mittagsheide,
Müdigkeit ihn überfloss,
Er träumt von einem weißen Schloss
Und einem König in weißem Kleide.
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Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Landregen
Der Regen rauscht. Der Regen
Rauscht schon seit Tagen immerzu.
Und Käferchen ertrinken
Im Schlammrinn an den Wegen. - -
Der Wald hat Ruh.
Gelabte Blätter blinken.
Im Regenrauschen schweigen
Alle Vögel und zeigen
Sich nicht.
Es rauscht urewige Musik.
Und dennoch sucht mein Blick
Ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.
Ich kann das schwere, kalte Laub
Nicht länger mehr ertragen.
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Theodor Fontane (1819-1898)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_fontane.php
Mittag
Am Waldessaume träumt die Föhre,
Am Himmel weiße Wölkchen nur,
Es ist so still, dass ich sie höre,
Die tiefe Stille der Natur.
Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,
Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,
Und doch, es klingt, als ström' ein Regen
Leis tönend auf das Blätterdach.
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Ada Christen (1839-1901)
Nach dem Regen
Die Vögel zwitschern, die Mücken
Sie tanzen im Sonnenschein,
Tiefgrüne feuchte Reben
Gucken ins Fenster herein.
Die Tauben girren und kosen
Dort auf dem niedern Dach,
Im Garten jagen spielend
Die Buben den Mädeln nach.
Es knistert in den Büschen,
Es zieht durch die helle Luft
Das Klingen fallender Tropfen,
Der Sommerregenduft.
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Ernst Stadler (1883-1914)
Pans Trauer
Die dunkle Trauer,
die um aller Dinge Stirnen todessüchtig wittert,
Hebt sachte deiner Flöte Klingen auf,
das mittäglich im braunen Heideröhricht zittert.
Die Schwermut aller Blumen,
aller Gräser, Steine, Schilfe, Bäume stummes Klagen
Saugt es in sich und will sie demutsvoll
in blaue Sommerhimmel tragen.
Die Müdigkeit der Stunden,
wenn der Tag durch gelbe Dämmernebel raucht,
Heimströmend alles Licht
im mütterlichen Schoß der Nacht sich untertaucht,
Verlorne Wehmut kleiner Lieder, die ein Mädchen
tanzend sich auf Sommerwiesen singt,
Glockengeläut, das heimwehrauschend
über sonnenrote Abendhügel dringt,
Die große Traurigkeit des Meers, das sich
an grauer Küsten Damm die Brust zerschlägt
Und auf gebeugtem Rücken endlos die Vergänglichkeit
vom Sommer in den jungen Frühling trägt -
Sinkt in dein Spiel, schwermütig helle Blüte,
die in dunkle Brunnen glitt...
Und alle stummen Dinge sprechen leise glühend
ihrer Seelen wehste Litaneien mit.
Du aber lächelst, lächelst... Deine Augen
beugen sich vergessen, weltenweit entrückt
Über die Tiefen,
draus dein Rohr die große Wunderblume pflückt.
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