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Friederike Kempner (1836-1901)
Der Polterabend
Herab von seiner stolzen Veste
Lehnt sich ein Rittersmann,
Tief unten aus dem Felsengrunde
Schwingt's lautlos sich hinan.
Schwarzbraune Locken auf dem Nacken,
Rotsamtnes Prachtgewand,
Den erznen Panzer um die Hüfte,
Das Visier in der Hand.
So lehnt er an dem Erkerfenster
Im hochzeitlichen Schmuck,
Was stierst Du, Ritter, in die Tiefe,
Das Irrlicht zeigt nur Trug!
Ruht Laura nicht im stillen Grabe?
Kein Schatten kehrt zurück,
Vergiß die Schuld, zum Hochzeitsmahle
Ruft heut' Dein froh' Geschick!
Ha, immer stiert er noch herunter
Den scharfen Blick hinab.
Das Irrlicht steht an jener Stelle,
Wo sie den Tod sich gab.
Sein Grund ist leer, o weh, der Schrecken!
Was singt dort am Gestein?
Was schwingt sich hoch von Fels zu Felsen,
Im weißen Heil'genschein?
"Noch grauet nicht Dein Hochzeitsmorgen,
Noch schaust Du nicht Dein Glück,
O, harter Ritter, schau' lieb' Laura,
Ihr Schatten kehrt zurück!"
Den stolzen Ritter faßt ein Grausen,
Als er das Lied gehört,
Von Geisterarmen fortgerissen
Er in den Abgrund fährt.
Horch da, ein namenloses Poltern
Im felsigten Gestein,
Als wenn auf einmal tausend Donner
In's Burgtor schlügen ein.
D'rum soll am Abend vor der Hochzeit
Ein Polterabend sein,
Denn - heißt es - wo viel Licht und Freude
Wagt sich kein Geist hinein. -
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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php
Einer Braut am Polterabend
Ich bringe dir ein leeres weißes Buch,
Die Blätter drin noch ohne Bild und Spruch.
Sie sollen einst, wenn sie beschrieben sind,
Dir bringen ein Erinnern hold und lind;
An liebe Worte, die man zu dir sprach,
An treue Augen, die dir blickten nach. -
Drauf log ich dir von dunklem Myrtenreis
Den grünen Kranz, der aller Kränze Preis.
Nimm ihn getrost! Denn muss ich auch gestehn,
Er wird wie alles Laub dereinst vergehn,
So weiß ich doch, wenn Tag um Tag verschwand,
Hältst du den Zweig mit Früchten in der Hand.
(Mit einem Album und dem Brautkranz)
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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Zum Polterabend
I.
Mit deinen großen, allwissenden Augen
Schaust du mich an, und du hast recht:
Wie konnten wir zusammen taugen,
Da du so gut und ich so schlecht!
Ich bin so schlecht und bitterblütig,
Und Spottgeschenke bring ich dar
Dem Mädchen, das so lieb und gütig,
Und ach! sogar aufrichtig war.
II.
Oh, du kanntest Koch und Küche,
Loch und Schliche, Tür und Tor!
Wo wir nur zusammen strebten,
Kamst du immer mir zuvor.
Jetzt heiratest du mein Mädchen,
Teurer Freund, das wird zu toll -
Toller ist es nur, daß ich dir
Dazu gratulieren soll!
III.
"Oh, die Liebe macht uns selig,
Oh, die Liebe macht uns reich!"
Also singt man tausendkehlig
In dem heil'gen röm'schen Reich.
Du, du fühlst den Sinn der Lieder,
Und sie klingen, teurer Freund,
Jubelnd dir im Herzen wieder,
Bis der große Tag erscheint:
Wo die Braut mit roten Bäckchen
Ihre Hand in deine legt,
Und der Vater mit den Säckchen
Dir den Segen überträgt.
Säckchen voll mit Geld, unzählig,
Linnen, Betten, Silberzeug -
Oh, die Liebe macht uns selig,
Oh, die Liebe macht uns reich!
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