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unbekannt
Ich lebe und weiß nicht...
Ich lebe und weiß nicht, wie lang,
ich sterbe und weiß nicht wann,
ich fahre und weiß nicht wohin,
mich wundert, dass ich so fröhlich bin.
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Theodor Fontane (1819-1898)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_fontane.php
Lass ab von diesem Zweifeln...
Lass ab von diesem Zweifeln, Klauben,
Vor dem das Beste selbst zerfällt,
Und wahre dir den vollen Glauben
An diese Welt trotz dieser Welt.
Schau hin auf eines Weibes Züge,
Das lächelnd auf den Säugling blickt,
Und fühl's, es ist nicht alles Lüge,
Was uns das Leben bringt und schickt.
Und, Herze, willst du ganz genesen,
Sei selber wahr, sei selber rein!
Was wir in Welt und Menschen lesen,
Ist nur der eigne Widerschein.
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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php
Lebenslauf
Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt
All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.
Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht,
Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefesten Orkus
Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?
Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,
Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Dass ich wüsste, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.
Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Dass er, kräftig genährt, danken für Alles lern,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.
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Cäsar Flaischlen (1864-1920)
Man hätt es nicht dürfen...
Man hätt es nicht dürfen,
man hätt es nicht sollen,
und man hat es
dennoch gewollt ...
Und es war so schön,
wie’s nie gewesen,
hätt man es dürfen,
hätt man’s gesollt.
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Fred Endrikat (1890-1942)
Motto
Wie aus des Lebens Schattenseiten
oft bricht ein Sonnenstrahl hervor,
so wirkt beim Mensch in ernsten Zeiten
der echte, goldige Humor.
Weil er für einige Sekunden
den bittren Ernst vergessen macht,
wird rasch ein jedes Herz gesunden,
wenn es mal richtig krank sich lacht.
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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/goethe.php
Natur und Kunst
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemess'nen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
So ist's mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
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Friedrich Rückert (1788-1866)
O fühle: was du hast...
O fühle: was du hast, das hast du nur empfangen;
Und lass, wie dir es kam, es andern zugelangen.
Sei wie der Mond, der von der Sonn’ entlehnt sein Licht
Und leiht’s der Erdennacht, für sich behält er’s nicht.
Gott ist die Sonne, die lässt ewig Licht ausgehn,
Um hell die Welt und sich hell in der Welt zu sehn.
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Friedrich Nietzsche (1844-1900)
O Mensch! Gib acht...
O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht,
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"
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Christoph Sutter (geb. 1962), www.verse.ch
Schutz vor Schmutz
Man gibt, zum Start, den Menschenkindern,
um Dreck im Alltag zu vermindern,
ein Windelpack an ihren Po.
Das hält sie sauber und macht froh.
Im Lebensherbst, kurz vor dem Wintern,
da liegen für die greisen Hintern
erneut – wie schon zur Baby-Zeit –
die Windelpackungen bereit.
So weit, so gut. Nur will ich fragen:
Macht Mensch nicht in den Zwischentagen
als Windelloser, wie man weiß
im Leben meist den grössten Scheiß?
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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/goethe.php
Selige Sehnsucht
Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.
Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.
Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du, Schmetterling, verbrannt.
Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
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Friedrich Hölderlin (1770-1843)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/hoelderlin.php
Sokrates und Alcibiades
»Warum huldigest du, heiliger Sokrates,
Diesem Jünglinge stets? kennest du Größers nicht?
Warum siehet mit Liebe,
Wie auf Götter, dein Aug auf ihn?«
Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste,
Hohe Jugend versteht, wer in die Welt geblickt,
Und es neigen die Weisen
Oft am Ende zu Schönem sich.
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Friedrich von Schiller (1759-1805)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/schiller.php
Spruch des Konfuzius (1)
Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.
Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die Stehende bewegen.
Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die Zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die Fliehende zum Freund,
Nicht die Bleibende zum Feind.
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Friedrich von Schiller (1759-1805)
Spruch des Konfuzius (2)
Dreifach ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohn Unterlass
Strebt die Länge, fort ins Weite
Endlos gießet sich die Breite,
Grundlos senkt die Tiefe sich.
Dir ein Bild sind sie gegeben:
Rastlos vorwärts musst du streben,
Nie ermüdet stille stehn,
Willst du die Vollendung sehn;
Musst ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe musst du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.
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Laotse (zwischen 600 u. 400)
Taoteking 2
Wenn auf Erden alle das Schöne als schön erkennen,
so ist dadurch schon das Hässliche gesetzt.
Wenn auf Erden alle das Gute als gut erkennen,
so ist dadurch schon das Nichtgute gesetzt.
Denn Sein und Nichtsein erzeugen einander.
Schwer und Leicht vollenden einander.
Lang und Kurz gestalten einander.
Hoch und Tief verkehren einander.
Stimme und Ton sich vermählen einander.
Vorher und Nachher folgen einander.
Also auch der Berufene:
Er verweilt im Wirken ohne Handeln.
Er übt Belehrung ohne Reden.
Alle Wesen treten hervor,
und er verweigert sich ihnen nicht.
Er erzeugt und besitzt nicht.
Er wirkt und behält nicht.
Ist das Werk vollbracht,
so verharrt er nicht dabei,
Und eben weil er nicht verharrt,
bleibt er nicht verlassen.
(aus dem Chinesischen von Richard Wilhelm)
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Laotse (zwischen 600 u. 400)
Taoteking 47
Ohne aus der Tür zu gehen,
kennt man die Welt.
Ohne aus dem Fenster zu schauen,
sieht man den SINN des Himmels.
Je weiter einer hinausgeht,
desto geringer wird sein Wissen.
Darum braucht der Berufene nicht zu gehen
und weiß doch alles.
Er braucht nicht zu sehen
und ist doch klar.
Er braucht nichts zu machen
und vollendet doch.
(aus dem Chinesischen von Richard Wilhelm)
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