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Lebens-Weisheiten – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Wolfgang Lörzer (geb. 1950)

Der Allgemeinplatz

Der Allgemeinplatz lädt
uns zum Verweilen ein.
Da hat man es bequem
und ist auch nie allein.

Der Allgemeinplatz ist
beliebter Zufluchtsort.
Gedankenlose führen
dort das große Wort.

Der Allgemeinplatz ist
ein Ort, den jeder kennt.
Man kommt sehr schnell dorthin,
wenn man sich verrennt.

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Christoph Sutter (geb. 1962), www.verse.ch

Schutz vor Schmutz

Man gibt, zum Start, den Menschenkindern,
um Dreck im Alltag zu vermindern,
ein Windelpack an ihren Po.
Das hält sie sauber und macht froh.

Im Lebensherbst, kurz vor dem Wintern,
da liegen für die greisen Hintern
erneut – wie schon zur Baby-Zeit –
die Windelpackungen bereit.

So weit, so gut. Nur will ich fragen:
Macht Mensch nicht in den Zwischentagen
als Windelloser, wie man weiß
im Leben meist den grössten Scheiß?

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Fred Endrikat (1890-1942)

Wandspruch für Kopflose

Ein harter Kopf geht durch die Wände,
obwohl es Schmerz und Beulen macht.
Beim klugen Kopf tun dies die Hände,
und er wird niemals ausgelacht.
Mit dem Kopfe durch die Wand
kommt man leicht um den Verstand.

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Fred Endrikat (1890-1942)

Motto

Wie aus des Lebens Schattenseiten
oft bricht ein Sonnenstrahl hervor,
so wirkt beim Mensch in ernsten Zeiten
der echte, goldige Humor.

Weil er für einige Sekunden
den bittren Ernst vergessen macht,
wird rasch ein jedes Herz gesunden,
wenn es mal richtig krank sich lacht.

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Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Du musst das Leben nicht verstehen...

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.

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Adolf Glaßbrenner (1810-1876)

Weltweisheit

Lebst du ein Jahr in Gram und Leid:
Du lebtest keine Stunde Zeit.

Ein Tag gelebt in Lieb’ und Kuss,
Es ist ein ganzes Jahr Genuss!

Ein Jahr verbracht in frommem Wahn,
Ist keine Stunde wohlgetan.

Ein Stündchen Scherz, ein Stündchen Wein,
Das ist: ein Jahr lang glücklich sein!

Ein Jahr im Staats- und Pfaffenjoch
War keine Stunde Leben noch!

Ein Stündchen froh und frei die Brust:
Ein Jahr voll Leben und voll Lust!

Du Knecht der alten Menschennot,
Wie lang schon, Jüngling, bist du tot!

Du Greis in der Erinnerung
Durchlebter Freude: o wie jung!

Wer sich in Angst und Pein begräbt,
Der hat sein Leben nicht gelebt.

Wer nur nach Lust und Schönheit strebt,
Der hat die Ewigkeit durchlebt.

Wem niemals um den Himmel bangt,
Der hat den Himmel schon erlangt.

Ein Leben ohne Harm und Leid,
Das ist die ewige Seligkeit.

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Cäsar Flaischlen (1864-1920)

Man hätt es nicht dürfen...

Man hätt es nicht dürfen,
man hätt es nicht sollen,
und man hat es
dennoch gewollt ...

Und es war so schön,
wie’s nie gewesen,
hätt man es dürfen,
hätt man’s gesollt.

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Friedrich von Schiller (1759-1805)

Spruch des Konfuzius (2)

Dreifach ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohn Unterlass
Strebt die Länge, fort ins Weite
Endlos gießet sich die Breite,
Grundlos senkt die Tiefe sich.

Dir ein Bild sind sie gegeben:
Rastlos vorwärts musst du streben,
Nie ermüdet stille stehn,
Willst du die Vollendung sehn;
Musst ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe musst du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.

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Emanuel Geibel (1815-1884)

Wohl lag ich einst in Gram und Schmerz ...

Wohl lag ich einst in Gram und Schmerz,
Da weint’ ich Nacht und Tag;
Nun wein’ ich wieder, weil mein Herz
Sein Glück nicht fassen mag.

Mir ist’s, als trüg’ ich in der Brust
Das ganze Himmelreich –
O höchstes Leid, o höchste Lust,
Wie seid ihr euch so gleich!

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Franz Grillparzer (1791-1872)

Gedächtnisbuch

Des Menschen Dasein, alt wie jung,
Lebt zwischen Hoffnung und Erinnerung.
Jung, sieht dem Wunsch er alle Pfade offen,
Und alt, erinnert er sich eben an sein Hoffen.

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Theodor Storm (1817-1888)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_storm.php

Für meine Söhne

Hehle nimmer mit der Wahrheit!
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;
Doch, weil Wahrheit eine Perle,
Wirf sie auch nicht vor die Säue.

Blüte edelsten Gemütes
Ist die Rücksicht; doch zuzeiten
Sind erfrischend wie Gewitter
Goldne Rücksichtslosigkeiten.

Wackrer heimatlicher Grobheit
Setze deine Stirn entgegen;
Artigen Leutseligkeiten
Gehe schweigend aus den Wegen.

Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen würdest zu begehren,
Halte dich zu wert, um gastlich
In dem Hause zu verkehren.

Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte deine Seele
Vor dem Karrieremachen.

Wenn der Pöbel aller Sorte
Tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber.

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unbekannt

Ich lebe und weiß nicht...

Ich lebe und weiß nicht, wie lang,
ich sterbe und weiß nicht wann,
ich fahre und weiß nicht wohin,
mich wundert, dass ich so fröhlich bin.

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Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php

Weltlauf

Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazubekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das wenige genommen.

Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben –
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur, die etwas haben.

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Friedrich Rückert (1788-1866)

O fühle: was du hast...

O fühle: was du hast, das hast du nur empfangen;
Und lass, wie dir es kam, es andern zugelangen.
Sei wie der Mond, der von der Sonn’ entlehnt sein Licht
Und leiht’s der Erdennacht, für sich behält er’s nicht.
Gott ist die Sonne, die lässt ewig Licht ausgehn,
Um hell die Welt und sich hell in der Welt zu sehn.

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Friedrich von Schiller (1759-1805)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/schiller.php

Das Glück und die Weisheit

Entzweit mit einem Favoriten,
Flog einst Fortun' der Weisheit zu.
»Ich will dir meine Schätze bieten,
Sei meine Freundin du!

Mein Füllhorn goss ich dem Verschwender
In seinen Schoß, so mütterlich!
Und sieh! Er fordert drum nicht minder
Und nennt noch geizig mich.

Komm, Schwester, lass uns Freundschaft schließen,
Du keuchst so schwer an deinem Pflug.
In deinen Schoß will ich sie gießen,
Auf, folge mir! – Du hast genug.«

Die Weisheit lässt die Schaufel sinken
Und wischt den Schweiß vom Angesicht.
»Dort eilt dein Freund – sich zu erhänken,
Versöhnet euch – ich brauch dich nicht.«

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