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Kriegsgedichte – Dichter 1 2 · Titel 1 2 · Beliebteste · Neueste

Alfred Lichtenstein (1889-1914)

Abschied

(kurz vor der Abfahrt zum Kriegsschauplatz)

Vorm Sterben mache ich noch mein Gedicht.
Still, Kameraden, stört mich nicht.

Wir ziehn zum Krieg. Der Tod ist unser Kitt.
O, heulte mir doch die Geliebte nit.

Was liegt an mir. Ich gehe gerne ein.
Die Mutter weint. Man muß aus Eisen sein.

Die Sonne fällt zum Horizont hinab.
Bald wirft man mich ins milde Massengrab.

Am Himmel brennt das brave Abendrot.
Vielleicht bin ich in dreizehn Tagen tot.

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Kallinos (7. Jahrhundert v.u.Z)

Aufforderung

Wollt ihr ewig schlafen den Schlaf der Feigen, erweckt euch
Nicht des Nachbarn Hohn, euch nicht des Kühneren Mut?
O der Schande des Säumens! Ihr wähnt im Frieden zu ruhen
Toren, wütet der Krieg nicht in den Landen umher?
Rüstet Euch, Jünglinge, streitet und sieget! Und du, dem der Tod naht,
Furchtbar sei er dir nicht, zücke noch sterbend dein Schwert!
Streitet, Männer und Jünglinge! Schön ists und herrlich zu streiten!
Schön für die Stadt und das Land, schön für die Kinder daheim.
Schön für das Weib der Jugend! Wohlan in die blutige Feldschlacht
Dringet, schüttelt den Speer, schrecklich ertöne der Schild;
Trotzt der Gefahr und dem Tod! Er droht euch umsonst, bis des Schicksals
Hand entscheidend das Knaul eures Lebens zerreißt;
Aber nicht Einer entrinnt ihm auch dann! So fielen der Menschen
Lose: Gebeuts das Geschick, stirbt der Unsterblichen Sohn.
Ihn, der dem Waffengetümmel entfloh und den zischenden Pfeilen,
Oft verfolgte der Tod ihn in sein Haus, und er starb.
Ihn beweint nicht die Lieb und nicht die Sehnsucht des Volkes,
Aber den Helden beweint Jüngling und Jungfrau und Greis;
Wie ein Halbgott war er geehrt und geliebt; in des Bürgers
Auge war er der Turm, war er die Schanze der Stadt;
Denn er vollbracht, allein, der Taten mehr als ein Kriegsheer
Da er noch lebte, nun fleußt aller Träne für ihn!

(aus dem Altgriechischen von Christian zu Stolberg-Stolberg)

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Friedrich Haug (1761-1829)

Cäsar

Er kommt, er schaut, er siegt,
Er herrscht, er unterliegt.

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Heinrich von Kleist (1777-1811)

Der höhere Frieden

Wenn sich auf des Krieges Donnerwagen,
Menschen waffnen, auf der Zwietracht Ruf,
Menschen, die im Busen Herzen tragen,
Herzen, die der Gott der Liebe schuf:

Denk ich, können sie doch mir nichts rauben,
Nicht den Frieden, der sich selbst bewährt,
Nicht die Unschuld, nicht an Gott den Glauben,
Der dem Hasse, wie dem Schrecken, wehrt.

Nicht des Ahorns dunkelm Schatten wehren,
Dass er mich, im Weizenfeld, erquickt,
Und das Lied der Nachtigall nicht stören,
Die den stillen Busen mir entzückt.

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Arthur Rimbaud (1854-1891)

Der Schläfer im Tal

Ein grüner winkel den ein bach befeuchtet
Der toll das gras mit silberflecken säumt ·
Wohin vom stolzen berg die sonne leuchtet -
Ein kleiner wasserfall von strahlen schäumt.

Ein kriegsmann jung barhaupt mit offnem munde
Den nacken badend in dem blauen kraut
Schläft unter freiem himmel · bleich · am grunde
Gestreckt · im grünen bett vom licht betaut.

Ein strauch deckt seine füsse. Wie ein kind
Lächelnd das krank ist hält er seinen schlummer.
Natur umhüll ihn warm! es friert ihn noch.

Ihm zuckt die nase nicht vom duftigen wind.
Er schläft im sonnenschein · die hand auf stummer
Brust - auf der rechten ist ein rotes loch.

(aus dem Französischen von Stefan George)

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Karl Kraus (1874-1936)

Der sterbende Soldat

Hauptmann, hol her das Standgericht!
Ich sterb' für keinen Kaiser nicht!
Hauptmann, du bist des Kaisers Wicht!
Bin tot ich, salutier' ich nicht!

Wenn ich bei meinem Herren wohn',
ist unter mir des Kaisers Thron,
und hab' für sein Geheiß nur Hohn!
Wo ist mein Dorf? Dort spielt mein Sohn.

Wenn ich in meinem Herrn entschlief,
kommt an mein letzter Feldpostbrief.
Es rief, es rief, es rief, es rief!
Oh, wie ist meine Liebe tief!

Hauptmann, du bist nicht bei Verstand,
dass du mich hast hieher gesandt.
Im Feuer ist mein Herz verbrannt.
Ich sterbe für kein Vaterland!

Ihr zwingt mich nicht, ihr zwingt mich nicht!
Seht, wie der Tod die Fessel bricht!
So stellt den Tod vors Standgericht!
Ich sterb', doch für den Kaiser nicht.

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Friedrich von Logau (1605-1655)

Der Tod ist der Sünder und der Krieger Sold

Die Sünder haben Sold; Sold haben auch Soldaten.
Der Tod ist gleicher Lohn auf ihre gleichen Taten.

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Hans-Peter Kraus (geb. 1965), www.ziemlichkraus.de

Der Vater aller Bruderkriege

Schnabbeldapp streckt
Rieselpop die Zunge raus.
Rieselpop zeigt
Schnabbeldapp den Vogel.
RaRaRa!
Vermutlich Rieselpop klaut
Schnabbeldapps Hut und
kackt hinein.
Vermutlich Schnabbeldapp klaut
Rieselpops Schuhe und
pisst hinein.
RaRaRa!
Schnabbeldapp tritt Rieselpop
in den Hintern.
Rieselpop schlägt Schnabbeldapp
ins Gesicht.
RaRaRa!
Vermutlich Rieselpop verwüstet
Schnabbeldapps Garten.
Vermutlich Schnabbeldapp zündet
Rieselpops Haus an.
RaRaRa!
Schnabbeldapp schlägt
Rieselpops Kind zum Krüppel.
Rieselpop vergewaltigt
Schnabbeldapps Frau.
RaRaRa!
Rieselpop tötet
Schnabbeldapp tötet
Rieselpop tötet
Schnabbelpop tötet
Ribbeldapp tötet
Schnaselpopp tötet
Rischeldap.
RaRaRa!
Schnabbeldapp und Rieselpop
unterzeichnen den Waffenstillstand.

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Hans-Peter Kraus (geb. 1965), www.ziemlichkraus.de

Ein Soldat stirbt nicht

Ein Soldat stirbt nicht,
er wird nicht vergast, nicht verbrannt und nicht zermatscht.

Er krepiert nicht mit herausquellenden Augen und
weitaufgerissenem Maul nach Luft saugend.
Er endet nicht tierisch schreiend und
sich epileptisch am Boden wälzend als lebende Fackel.
Er versucht nicht, schwerverletzt und panisch robbend
den alles zermalmenden Panzerketten zu entkommen.

Ein Soldat hat keine Angst, keine Schmerzen.
Ein Soldat stirbt nicht,
er fällt.

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Arnim/Brentano (Hrsg.)

Frommer Soldaten seligster Tod

Kein selger Tod ist in der Welt,
Als wer vorm Feind erschlagen
Auf grüner Heid auf freiem Feld,
Darf nicht hörn groß Wehklagen.
Im engen Bett, da einr allein
Muss an den Todesreihen,
Hier aber findt er Gesellschaft fein,
Falln mit, wie Kräuter im Maien.
Ich sag ohn Spott,
Kein seligr Tod
Ist in der Welt,
Als so man fällt
Auf grüner Heid,
Ohn Klag und Leid.
Mit Trommeln Klang,
Und Pfeifen-Gsang
Wird man begraben,
Davon tut haben
Unsterblichen Ruhm
Mancher Held fromm,
Hat zugesetzt Leib und Blute,
Dem Vaterland zu gute.

(Ausschnitt; aus: Des Knaben Wunderhorn, erschienen 1806-08)

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Alfred Lichtenstein (1889-1914)

Gebet vor der Schlacht

Inbrünstig singt die Mannschaft, jeder für sich:
Gott, behüte mich vor Unglück,
Vater, Sohn und heiliger Geist,
Dass mich nicht Granaten treffen,
Dass die Luder, unsre Feinde,
Mich nicht fangen, nicht erschießen,
Dass ich nicht wie'n Hund verrecke
Für das teure Vaterland.

Sieh, ich möchte gern noch leben,
Kühe melken, Mädchen stopfen
Und den Schuft, den Sepp, verprügeln,
Mich noch manches Mal besaufen
Bis zu meinem selgen Ende.

Sieh, ich bete gut und gerne
Täglich sieben Rosenkränze,
Wenn du, Gott, in deiner Gnade
Meinen Freund, den Huber oder
Meier, tötest, mich verschonst.

Aber muss ich doch dran glauben,
Lass mich nicht zu schwer verwunden.
Schick mir einen leichten Beinschuss,
Eine kleine Armverletzung,
Dass ich als ein Held zurückkehr,
Der etwas erzählen kann.

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Georg Trakl (1887-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/georg_trakl.php

Grodek

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.

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Martin Opitz (1597-1632)

Ihr Götter...

Ihr Götter, soll mich dann des schnöden Glückes Neid
Nicht lassen? Muss ich mich begeben in den Streit?
Ach lasst mich, lasst mich hier; der Krieg ist nicht von Nöten:
Lasst mich der Liebsten nur, sie kann mich besser töten.

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Schi-djing (Buch der Lieder) (1050-700 v.u.Z.)

Klage der Garde

General!
Wir sind des Kaisers Leiter und Sprossen!
Wir sind wie Wasser im Fluss verflossen ...
Nutzlos hast du unser rotes Blut vergossen ...
General!

General!
Wir sind des Kaisers Adler und Eulen!
Unsre Kinder hungern ... Unsre Weiber heulen ...
Unsre Knochen in fremder Erde fäulen ...
General!

General!
Deine Augen sprühen Furcht und Hohn!
Unsre Mütter im Fron haben kargen Lohn ...
Welche Mutter hat noch einen Sohn?
General?

(aus dem Chinesischen von Klabund)

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Friedrich von Logau (1605-1655)

Krieg und Friede

Die Welt hat Krieg geführt weit über zwanzig Jahr.
Numehr soll Friede sein, soll werden wie es war;
Sie hat gekriegt um das, o lachens-werte Tat!
Dass sie, eh sie gekriegt, zuvor besessen hat.

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