Startseite ~ Dichter ~ Titel ~ Gedichtanfänge ~ Neues ~ Links ~ Rechtliches |
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/lessing.php
Lied aus dem Spanischen
Gestern liebt ich,
Heute leid ich,
Morgen sterb ich:
Dennoch denk ich
Heut und morgen
Gern an gestern.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Heinrich Heine (1797-1856)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/heinrich_heine.php
Mein Kind, wir waren Kinder...
Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kinder, klein und froh;
Wir krochen ins Hühnerhäuschen,
Versteckten uns unter das Stroh.
Wir krähten wie die Hähne,
Und kamen Leute vorbei –
»Kikereküh!« sie glaubten,
Es wäre Hahnengeschrei.
Die Kisten auf unserem Hofe,
Die tapezierten wir aus,
Und wohnten drin beisammen,
Und machten ein vornehmes Haus.
Des Nachbars alte Katze
Kam öfters zum Besuch;
Wir machten ihr Bückling' und Knickse
Und Komplimente genug.
Wir haben nach ihrem Befinden
Besorglich und freundlich gefragt;
Wir haben seitdem dasselbe
Mancher alten Katze gesagt.
Wir saßen auch oft und sprachen
Vernünftig, wie alte Leut',
Und klagten, wie alles besser
Gewesen zu unserer Zeit;
Wie Lieb' und Treu' und Glauben
Verschwunden aus der Welt,
Und wie so teuer der Kaffee,
Und wie so rar das Geld! – – –
Vorbei sind die Kinderspiele,
Und alles rollt vorbei –
Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glauben und Lieb' und Treu'.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wersch (geb. 1964), literaturnische.de
Regatta
die Zeit
beschleunigt
der Wellenkamm steigt und steigt
ein paar Surfer darauf
Punkte Pünktchen bald
durch Höhe oder Fall verwischt
wir paddeln hinterher
längst abgehängt
in planem Gewässer
uneinholbar beschleunigt
die Zeit
vielleicht zu überholen
mit Innehalten
nicht erschlagen werden
wenn sie bricht
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Christian Morgenstern (1871-1914)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/morgenstern.php
Schicksals-Spruch
Unhemmbar rinnt und reißt der Strom der Zeit,
in dem wir gleich verstreuten Blumen schwimmen,
unhemmbar braust und fegt der Sturm der Zeit,
wir riefen kaum, verweht sind unsre Stimmen.
Ein kurzer Augenaufschlag ist der Mensch,
den ewige Kraft auf ihre Werke tut;
ein Blinzeln - der Geschlechter lange Reihn,
ein Blick - des Erdballs Werden und Verglut.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gottfried Keller (1819-1890)
So werd ich manchmal irre an der Stunde...
So werd ich manchmal irre an der Stunde,
An Tag und Jahr, ach, an der ganzen Zeit!
Sie gärt, sie tost, doch mitten auf dem Grunde
Ist es so still, so kalt und zugeschneit!
Habt ihr euch auf ein neues Jahr gefreut,
Die Zukunft preisend mit beredtem Munde?
Es rollt heran und schleudert weit, o weit!
Zurück euch, ihr versinkt im alten Schlunde!
O hätt den Hammer ich des starken Thor,
Auf das Jahrhundert einen Schlag zu führen,
Ich schlüg sein morsches Zeigerblatt zu Trümmern!
Tritt denn kein Uhrenmacher kühn hervor,
Die irre Zeit mit Macht zu regulieren?
Soll sie denn ganz in Staub und Rost verkümmern?
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Friedrich von Schiller (1759-1805)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/schiller.php
Spruch des Konfuzius (1)
Dreifach ist der Schritt der Zeit:
Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,
Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,
Ewig still steht die Vergangenheit.
Keine Ungeduld beflügelt
Ihren Schritt, wenn sie verweilt.
Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt
Ihren Lauf, wenn sie enteilt.
Keine Reu, kein Zaubersegen
Kann die Stehende bewegen.
Möchtest du beglückt und weise
Endigen des Lebens Reise,
Nimm die Zögernde zum Rat,
Nicht zum Werkzeug deiner Tat.
Wähle nicht die Fliehende zum Freund,
Nicht die Bleibende zum Feind.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Theodor Fontane (1819-1898)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/theodor_fontane.php
Überlass es der Zeit
Erscheint dir etwas unerhört,
Bist du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuchs nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlass es der Zeit.
Am ersten Tage wirst du feige dich schelten,
Am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast du's überwunden;
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Christian Wagner (1835-1918)
Wochenkalender
Montag erst. - Entsetzlich! Freudelos
Neu beginnen, wo die Woche schloss.
Dienstag erst. - Entsetzlich! Ohne Sinn
Spinnen fort des Lebens grau Gespinn.
Mittwoch erst. - Entsetzlich! Ohne Ziel
Neu durchspielen das durchspielte Spiel.
Donnerstag.- Entsetzlich! Ohne Gnad
Neu durchmessen den durchmessnen Pfad.
Freitag schon. - Entsetzlich! Wirrer Tand
Neu durchwaten den durchwatnen Sand.
Samstag schon. - Entsetzlich! Ohne Gruß
Ewig wandern um des Hügels Fuß.
Sonntag heut. - Entsetzlich! Wieder neu
Segeln an dem Leuchtturm hier vorbei.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Ludwig Tieck (1773-1853)
Zeit
So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise,
Die Zeit nach ihrer alten Weise,
Auf ihrem Wege taub und blind.
Das unbefangne Menschenkind
Erwartet stets vom nächsten Augenblick
Ein unverhofftes seltsam neues Glück.
Die Sonne geht und kehret wieder,
Kommt Mond und sinkt die Nacht hernieder,
Die Stunden die Wochen abwärts leiten,
Die Wochen bringen die Jahreszeiten.
Von außen nichts sich je erneut,
In Dir trägst Du die wechselnde Zeit,
In Dir nur Glück und Begebenheit.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~