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Religiöse Gedichte – Dichter 1 2 3 · Titel 1 2 3 · Beliebteste · Neueste

Wersch (geb. 1964), literaturnische.de

Laudzi

sitzt auf lächelndem Stier
dem Buckel der Welt
raunt freundlich in seinen Bart
was nicht mehr sein kann
sei noch am wesen
was nicht mehr wese
sei das wesen -
lässt sich tragen
ins uralte Vergessen
ruhend in sanftem Traben
lässt sich gleiten
ins entvölkerte Exil
ist kräftig leer
von beredter Stille
und wird weiter gebraucht

(Dieser Text in ein Bild integriert findet sich in Wortvision.)

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Wersch (geb. 1964), literaturnische.de

Gautama

hatte Königslos verschmäht
um zu durchträumen alles:
Teufel Götter Leblinge

harrte sieben Jahre aus;
zersickert in die Elemente;
west ein hungernder Stein
unter Bodhi-Yggdrasil

traute keinem Wort oder Götzen;
saß eine Lotosblume
vor aller Frage
mit offenem Mund

Ameisen und Mücken krabbelten
Schnecken und Würmer krochen
in die Speiseröhre
die Zunge polsterte Moos

verging an sich selbst;
Visionenbrut entschlüpfte
aus seinen Nischen
und einmal gebar Mann

stand auf ohne Schlacken
erhaben erleuchtet geheißen
und weilte ungern länger
um zu sprechen unvergesslich

schlief sorglos fort und
wurde mächtig heilig ausgedehnt;
wie viele vergingen sich
ergötzten sich am Vergötzen

ein Nachlass bleibt:
unbestechliches Lächeln
ob gütig ob böse

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Aischylos (525-456 v.u.Z.)

Zeus, wer Zeus auch immer möge sein...

Zeus, wer Zeus auch immer möge sein,
Ist er dieses Namens froh,
Will ich gern ihn nennen so;
Ihm vergleichen kann ich nichts,
Wenn ich alles auch erwäg,
Außer ihm selbst — so des Denkens vergebliche Qualen
Ich in Wahrheit bannen will!

Nicht, der ehedem gewaltig war,
Allbewehrten Trotzes hehr —
Dass er war, wer weiß es mehr!
Der darauf erstand, dem All-
Sieger unterlag auch der;
Aber den Zeus im Gesänge des Sieges zu preisen,
Alles Denkens Frieden ists,

Ihn, der uns des Denkens Weg
Führt zum Lernen durch das Leid,
Unter dies Gesetz uns stellt!
Ruhlos statt des Schlafs quält das Herz
Leidgedenk neu sich stets: auch starrem Sinn
Ist die Einsicht noch genaht.
Das ist Götterhuld! Erhaben steuern
Sie die Welt mit harter Hand.

(Aus einem Chorlied der Tragödie "Agamemnon". Übersetzt aus dem Altgriechischen von Johann Gustav Droysen.)

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Angelus Silesius (1624-1677)

Wenn die Himmelfahrt vorhanden

Wenn Gott in dir geborn, gestorben und erstanden,
So freue dich, dass bald die Himmelfahrt vorhanden.

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Angelus Silesius (1624-1677)

Die geheime Himmelfahrt

Wenn du dich über dich erhebst und lässt Gott walten,
So wird in deinem Geist die Himmelfahrt gehalten.

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Ernst Moritz Arndt (1769-1860)

Himmelfahrt

Wie prangt im Frühlingskleide
Die grüne, bunte Welt!
Und hat in Welt und Heide
Musik und Lust bestellt:
Wie klingt und spielt der Scherz
In Büschen rings und Bäumen
Von Edens Blumenträumen
Den Klang in jedes Herz!

Hinaus denn, meine Seele!
In voller Lust hinaus!
Verkünde, ruf, erzähle
Und kling und sing es aus!
Du bist von Lerchenart,
Nach oben will dein Leben:
Lass fliegen, klingen und schweben
Die süße Himmelfahrt.

Auf! Lüfte deine Schwingen
Zum frohen Heimatort!
Dein Trachten, Sehnen, Ringen,
Dein Weg, dein Lauf ist dort –
O flieg aus diesem Glanz
Der bunten Erdenlenze
Ins Land der ew’gen Kränze!
Dort ist dein Ziel, dein Kranz.

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Max Bewer (1861-1921)

Mutter unser

Mutter unser, wo bist du?
Niemals sah dich ein Auge;
Denn uns lehrten Jahrtausende
Nur zum V a t e r den Aufblick!
Deines Gewandes Wärme,
Deines Busens muttersame Ruh',
Wehe aus dem Sternendunkel
Einmal deinen Kindern zu.

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Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

Ich ... war ... einmal

Oft weiß ich ganz genau: Ich ... war ... einmal;
Ich habe schon einmal all dies gesehn;
Der Baum vor meinem Fenster rauschte mir
Ganz so wie jetzt vor tausend Jahren schon;
All dieser Schmerz, all diese Lust ist nur
Ein Nochmals, Immerwieder, Spiegelung
Durch Raum und Zeit. – Wie sonderbar das ist:
Ein Fließen, Sinken, Untertauchen und
Ein neu Empor im gleichen Strome: Ich
Und immer wieder ich: Ich ... war ... einmal.

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Wilhelm Busch (1832-1908)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/wilhelm_busch.php

Überliefert

Zu Olims Zeit, auf der Oase
Am Quell, wo schlanke Palmen stehen,
Saß einst das Väterchen im Grase
Und hatte allerlei Ideen.

Gern sprach davon der Hochverehrte
Zu seinen Söhnen, seinen Töchtern,
Und das Gelehrte, oft Gehörte
Ging von Geschlechte zu Geschlechtern.

Auch wir in mancher Abendstunde,
Wenn treue Liebe uns bewachte,
Vernahmen froh die gute Kunde
Von dem, was Väterchen erdachte.

Und sicher klingt das früh Gewusste
So lang in wohlgeneigte Ohren,
Bis auf der kalten Erdenkruste
Das letzte Menschenherz erfroren.

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Dogen (1200-1253)

Ach, den Wolken gleich...

Ach, den Wolken gleich treiben wir durch Geburten und Tode!
Den Pfad des Unwissens und den Pfad der Erleuchtung - wir wandeln sie träumend.
In meinem Gedächtnis haftet nur eins, auch nach dem Erwachen:
Des Regens Rauschen, dem einst des Nachts in der Hütte ich lauschte.

(aus dem Japanischen von ?)

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Edda (9.-12. Jahrhundert)

Der Seherin Weissagung

Allen Edeln gebiet ich Andacht,
Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;
Ich will Walvaters Wirken künden,
Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne,

Riesen acht ich die Urgebornen,
Die mich vor Zeiten erzogen haben.
Neun Welten kenn ich, neun Äste weiß ich
An dem starken Stamm im Staub der Erde.

Einst war das Alter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,
Gähnender Abgrund und Gras nirgend.

Bis Börs Söhne die Bälle erhuben,
Sie die das mächtige Midgard schufen.
Die Sonne von Süden schien auf die Felsen
Und dem Grund entgrünte grüner Lauch.

Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin,
Hielt mit der rechten Hand die Himmelrosse.
Sonne wusste nicht wo sie Sitz hätte,
Mond wusste nicht was er Macht hätte,
Die Sterne wussten nicht wo sie Stätte hatten.

Da gingen die Berather zu den Richterstühlen,
Hochheilge Götter hielten Rat.
Der Nacht und dem Neumond gaben sie Namen,
Hießen Morgen und Mitte des Tags,
Under und Abend, die Zeiten zu ordnen.

(Anfang des 1. Liedes; aus dem Isländischen von Karl Simrock)

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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php

Morgengebet

O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einsam ist’s noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
Als ging’ der Herr durchs stille Feld.

Ich fühl mich recht wie neu geschaffen
Wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
Ich schäm mich des im Morgenrot.

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich, ein Pilger, frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit.

Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
Schweig ich vor dir in Ewigkeit.

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Joseph von Eichendorff (1788-1857)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/eichendorff.php

Es wandelt, was wir schauen...

Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.

Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.

Was gäb es doch auf Erden,
Wer hielt' den Jammer aus,
Wer möcht geboren werden,
Hieltst du nicht droben Haus!

Du bist's, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen -
Darum so klag ich nicht.

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Fred Endrikat (1890-1942)

Mein Herrgott ist kein Bürokrat

Mein Herrgott ist kein Bürokrat,
verkalkt, verknöchert und veraltet,
der jedes Menschen Wort und Tat
notiert und Buch führt früh und spat
und streng darüber staatsanwaltet
Mein Herrgott wohnt in Wald und Flur.
Ich liebe ihn und seine Werke.
Er zeigt sich uns in der Natur,
sein Blitz, sein Sturm sind Zeichen nur
der Größe seiner Macht und Stärke.
Der Herrgott schuf die Menschen nicht
als arme und geduckte Sünder.
Er schenkte uns das Sonnenlicht,
dass wir ihm schauen ins Gesicht
als freie, frohe Menschenkinder.
Mein Herrgott ist kein Bürokrat,
er lebt in jeder Erdenkrume,
wenn aus ihr keimt die junge Saat.
Sein Geist uns von den Sternen naht,
aus jedem Baum und jeder Blume.

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Franziskus von Assisi (1181/2-1226)

Der Sonnengesang

Höchster, allmächtiger, gütiger Herr,
Dein ist der Preis und der Ruhm und die Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Allerhöchster, gebühren sie,
Und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gepriesen seist du, Herr, mit allen deinen Kreaturen;
Besonders mit der edlen Schwester Sonne,
Die uns den Tag bewirkt und uns erleuchtet durch ihr Licht.
Und schön ist sie und strahlt in großem Glanze. Von dir, o Allerhöchster, ist sie Sinnbild.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, den Mond und durch die Sterne;
Am Himmel hast du sie gebildet köstlich, hell und schön.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, den Wind,
Auch durch die Luft und Wolken, durch heitere und jede Witterung,
Durch welche du Erhaltung schenkest deinen Kreaturen.

Gepriesen seist du, Herr, durch den Bruder, das Wasser,
Das nützlich ist gar sehr, demütig, kostbar und keusch.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsern Bruder, das Feuer,
Durch welches du die Nacht erleuchtest.
Und es ist schön und freudespendend, stark und mächtig.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,
Die uns ernährt und regiert
Und mannigfache Früchte trägt und bunte Blumen und Kräuter.

Gepriesen seist du, Herr, durch jene, die aus Liebe zu dir verzeihen
Und Schwachheit und auch Trübsal leiden. Selig, die in Frieden dulden,
Weil sie von dir, o Allerhöchster, einst gekrönet werden.

Gepriesen seist du, Herr, durch unsern Bruder, den leiblichen Tod,
Dem nie ein Lebender entrinnen kann.
Weh‘ jenen, die in schwerer Sünde sterben!
Glückselig jene, die in deinen heiligen Willen sind ergeben,
Denn ihnen wird der zweite Tod kein Leides tun.

Lobet und preiset den Herrn und danket ihm
Und dienet ihm mit großer Demut!

(aus dem Italienischen von Maternus Rederstorff)

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