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Maja Bhuiyan (geb. 1961)
Pfingsten
Ich tauche
unter den Wolken hinweg,
ziellos, rastlos, willenlos.
Willenlos?
Nicht ganz:
Was ich will, ist Großes, viel zu Großes
zieht an mir,
und ich stehe hier, kralle mich fest,
als könnte der säuselnde Wind
mich schweben lassen,
als könnte die flatternde Taube
mich mit sich reißen,
als könnte der trommelnde Regen
mich in Stücke schlagen
als könnte ich ertrinken
vor Schmerz und Leid
und vor Liebe
zu Dir.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Georg Weerth (1822-1856)
Pfingstlied
Sie herzten sich und sie küssten sich
Mit liebevoller Gebärde.
Der junge Herr Frühling wonniglich,
Der besuchte die alte Frau Erde.
Er ist der guten, ehrlichen Frau
Mit eins an den Hals gesprungen,
Dass bis hinauf in den Himmel blau
Nur Lust und Jubel erklungen.
»Mein Sohn, es freut mich, dass du hier!
Lang währte des Winters Tosen.
Meine Felder brauchen die goldne Zier,
Meine Gärten Lilien und Rosen.
Verstummt sind all meine Nachtigalln,
Seit ich dich verloren hatte;
Drum schmücke den Vögeln die grünen Halln
Und den Hirschen die blumige Matte.
Ich habe so oft an dich gedacht,
Wenn es stürmte wilder und wilder;
Doch sprich, was hast du mir mitgebracht
Für die lieblichen Menschenbilder?«
»Für die Menschenbilder?« versetzte da
Der junge Herr Frühling stutzend –
In die Tasche griff er behend: »Voilà!
Revolutionen ein Dutzend.«
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gustav Falke (1853-1916)
Pfingstlied
Pfingsten ist heut, und die Sonne scheint,
Und die Kirschen blühn, und die Seele meint,
Sie könne durch allen Rausch und Duft
Aufsteigen in die goldene Luft.
Jedes Herz in Freude steht,
Von neuem Geist frisch angeweht,
Und hoffnungsvoll aus Tür und Tor
Steckt’s einen grünen Zweig hervor.
Es ist im Fernen und im Nah’n
So ein himmlisches Weltbejah’n
In all dem Lieder- und Glockenklang,
Und die Kinder singen den Weg entlang.
Wissen die Kindlein auch zumeist
Noch nicht viel vom heiligen Geist,
Die Hauptsach spüren sie fein und rein:
Heut müssen wir fröhlichen Herzens sein.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
René Schickele (1883-1940)
Pfingsten
Die Engel unsrer Mütter
sind auf die Straße gestiegen.
Das Raufherz der Väter
stiller schlägt.
Feurige Zungen fliegen
oder sind wie Kränze
auf Stirnen gelegt.
Gehör und Gesicht kennen keine Grenze,
wir sprechen mit Mensch und Tier.
Was unser Blick trifft, antwortet: "Wir".
Die Kiesel am Weg sind schallende Lieder,
jeder Pulsschlag kommt von weither wieder,
Blühendes strebt, von kleinen Flammen beschwingt.
Die Fische schaukeln den Himmel auf ihren Flossen
und sind von blitzenden Horizonten umringt,
Sonne tanzt auf dem Rücken der Hunde.
Jedes ist nach Gottes Gesicht in Licht gegossen
und weiß es in dieser einzigen Stunde
und erkennt Bruder und Schwester und singt.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Gustav Falke (1853-1916)
Pfingsten
Pfingsten, das heißt: das Neuste vom Schneider,
Helle Hosen und weiße Kleider,
Neue Sonnenschirme und neue Hüte
Mit Bändern und Blumen, jeder Güte.
Pfingsten, das heißt: sich drängen und stoßen,
Und quetschen und schieben, die Kleinen und Großen,
Besetzte Bahnen, Tramways und Breaks,
Heißt: Schinken und Spargel und Rührei und Steaks,
Maibowle, Bier, frohe Gesichter
Und ab und zu ein lyrischer Dichter.
Pfingsten heißt auch: Fiedel und Flöte,
Ein Zitat aus Reineke Fuchs von Goethe,
Heißt Tanz und Predigt, heißt Kirche und Schenke.
Was heißt Pfingsten nicht alles, wenn ichs bedenke.
Eins noch vor allem, vom ganzen Feste
Ist das das Schönste, ist das Beste:
Das junge lachende Maienlaub,
Hell wimpelnd über Lärm und Staub,
Des Lebens grüne Standarte. Hurra!
Freue dich, Mensch! Pfingsten ist da!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Pfingstomnibus
Zwei dicke Isabellen,
Die ziehn das Räderhaus,
Darinnen sieht's von hellen
Pfingstkleidern lustig aus.
Der Kutscher auf dem Bocke
Sitzt zwischen Zweigen grün;
Wunder! An seinem Rocke
Zwei Fliederbüsche blühn.
Die Peitsche lässt er wehen
Wie linden Wimpelschwung,
Die dicken Gelben gehen
Heut wie zwei Fohlen jung.
Als wenn sie heut zu Ehren
Dem Frühlingsfeiertag
Silberbeschlagen wären,
Klingt ihrer Hufe Schlag.
In hellen Resonanzen
Tönts wider der Asphalt,
Klipp-klapp von Liebe und Tanzen
Ein Lied empor mir schallt:
Ein lieber Junge ist der Mai,
Er sitzt mit grünem Kranze
Auf einer buschigen Linde frei
Und spielt uns auf zum Tanze.
Hat Augen grade so wie du,
Die wie zwei Sonnen scheinen,
Er spielt und schwingt den Takt dazu
Mit seinen nackten Beinen.
Komm, Mädel, gib mir deine Hand,
Wir wollen einen drehen,
Wie ihn der Mai, der Musikant,
Sein Lebtag nicht gesehen.
Nicht nach der Überzarten Art
Wolln wir im Kreise schleichen,
Wir tanzen heute Himmelfahrt
Und nach des Maien Geigen.
Drum fassen wir uns fest und warm
Und wirbeln uns verwegen,
Hopp, Mädel, komm! In meinen Arm
Kannst du dich ruhig legen.
So hoch des Maien Geige singt,
So hoch will ich dich heben:
Wer tanzend in die Liebe springt,
Der springt ins ewige Leben.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Max von Schenkendorf (1783-1817)
Am Pfingstmontag
Der auf Taubenflügeln schwebend,
Als die Welt ihr Sein empfing,
Allbefruchtend, allbelebend
Über den Gewässern hing -
Liebend sinkst du jetzt hernieder
Auf die bräutlich schöne Flur;
Deinem Hauche schlagen wieder
Alle Pulse der Natur.
Wogend durch der Schöpfung Räume,
Warm durchdringend Stein und Erz,
Weckend alle Lebenskeime
Senkst du dich ins Menschenherz.
Walle, walle, Geist der Liebe,
Unaufhaltsam, froh und frei,
Dass ein jeder unsrer Triebe,
Strahlend, wie sein Urquell, sei.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Max von Schenkendorf (1783-1817)
Am heiligen Pfingstfest
Du bist nicht ganz von uns geschieden,
Du nimmst dich unser ewig an,
Dein großes Herz ist nicht zufrieden
Mit allem, was es schon getan.
Du hast den Tröster uns gesendet,
Den scharfen, reinen, klaren Geist,
Der Licht und Trost und Wahrheit spendet,
Und deine Zukunft uns verheißt.
O, jede Seele sei ihm offen,
Dem werten, gottgesandten Freund,
Er stärke unser liebend Hoffen,
Bis der Geliebte selbst erscheint.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/ringelnatz.php
Pfingstbestellung
Ein Pfingstgedichtchen will heraus
ins Freie, ins Kühne.
So treibt es mich aus meinem Haus
ins Neue, ins Grüne.
Wenn sich der Himmel grau bezieht,
mich stört's nicht im geringsten.
Wer meine weiße Hose sieht,
der merkt doch: Es ist Pfingsten.
Nun hab ich ein Gedicht gedrückt,
wie Hühner Eier legen,
und gehe festlich und geschmückt -
Pfingstochse meinetwegen -
dem Honorar entgegen.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Clara Müller-Jahnke (1816-1905)
Pfingsten
O du sonnige, wonnige Pfingstenzeit!
Der Himmel ist blau und das Herz so weit,
in der Brust ein freudiges Glühen -
und die Knospe springt und die Hülle fällt;
der Odem des Frühlings durchweht die Welt,
und die Rosen wollen blühen.
Vom ragenden Dome der Glockenschall,
im knospenden Flieder die Nachtigall,
auf der Lippe ein Lied entglommen,
das dich, du bräutliche Erde preist,
und dich, der Pfingsten heiligen Geist,
der über die Welt gekommen!
Und was auch die Seelen in Bande schlug,
der Dogmen Zwang und der Formeln Fluch,
zerschmilzt in lodernden Flammen:
vom ragenden Dome der Glockenklang,
im blühenden Laube der Vogelsang, -
wie stimmt das so köstlich zusammen!
Der Lenzwind braust; doch woher er weht,
ihr wißt es nicht, noch wohin er geht.
Frei stürmt er daher und von dannen -
und ihn, der jegliche Fessel reißt,
den starken, freien, den heiligen Geist,
ihn wolltet ihr halten und bannen?!
Verlorene Müh! Er ist frei, ist frei! -
Den Harten und Stolzen geht er vorbei,
die lieblos, was schwach ist, verdammen;
unsterbliches Leben entlockt er der Gruft, -
und wo ihn ein Herz in Demut ruft,
da füllt er's mit heiligen Flammen.
Die duftenden Birken tragt herbei,
daß bräutlich geschmückt eure Wohnung sei
und in Liebe das Herz entglommen, -
die Tür macht auf und die Tore weit:
du trostvoll heilige Pfingstenzeit,
sei aller Welt willkommen!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Wilhelm Müller (1794-1827)
Pfingsten
O heilige Frühlingswonne,
Du sinkest nieder,
Strahlend und flimmernd
In himmlischen Schauern,
Auf alle Berge,
In alle Täler,
In jede Menschenbrust!
Ja, du bist es,
Geist Gottes,
Du gießest dich aus
Über die Welt!
Soll ich auf die sonnige Höhe steigen
Und beten?
Soll ich in dem dunkeln Tale liegen
Und sinnen?
O tritt sanft, mein Fuß,
Dass du den Wurm nicht tretest,
Der unter dir
Sich freuet des sonnigen Lebens!
Und du, hoch schlagende Brust,
Halt' an den Atem,
Dass du die Mücke
Nicht in dich ziehest,
Die sich wieget im Strahle
Vor deinem Munde!
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Hermann von Lingg (1820-1905)
Pfingsten
Schöne Zeit von Himmelfahrt
Bis zum nahen Pfingsten,
Wo der Geist sich offenbart
Groß auch im Geringsten.
Glockenklang erschallt vom Dom,
Und zur Lust des Maien
Wallt hinaus der Menschenstrom,
Alles will sich freuen!
Freue sich, wer Gutes tat,
Wer dafür gestritten,
Wer gestreut der Zukunft Saat,
Und auch wer gelitten!
Ja, ich weiß, es wird geschehn,
Was wir jetzt noch hoffen,
Dass zum Glück die Tore stehn
Allen einst noch offen.
Dass man nicht mehr sieht verirrt
Scharen Lebensmüder;
Keine Herde und kein Hirt,
Freie nur, nur Brüder!
Wenn kein Druck den Geist mehr dämpft,
Wenn ein zweites Eden,
Aber schöner, weil erkämpft,
Folgt auf unsre Fehden.
Eines Himmels Erdenfahrt
Und ein andres Pfingsten,
Wo der Geist sich offenbart,
Groß auch im Geringsten.
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Klabund (1890-1928)
Kleinstadtpfingsten
Um eine schöne Pfingststimmung zu bewirken,
Stellt man in den kleinen Städten Birken
Vor die Tür. Und am Vorabend singen
Die Mädchen süßsonderbare Lieder, die den Sommer herbeizwingen
Sollen. Die Buben zwitschern auf ihren Kalmusstauden wie Nachtigallen.
Aber vor allen
Dingen vergesst
Nicht: wir feiern Pfingsten das Schützenfest.
In grasgrüner Uniform wie die Förster, mit Fahnen, Flöten, Pauken, und unter Applaus
Des Publikums, marschiert die Schützengilde (63 Mann) zum Schützenhaus.
Mein Vater ist Schützenmajor - er trägt einen Ehrendegen
Und muss an solchem Fest- und Ehrentage auch seinen Kronenorden vierter Klasse anlegen,
Sowie die hohenzollern-sigmaringsche Verdienstmedaille. -
Die Mädchen gehen alle schon in weißer Taille,
Und am Abend tanzt man im Schützenhaussaal bis zum Verrücktwerden...
Dann draußen unter den Bäumen... im Grase... von deinem Munde beglückt werden.
... Küsse... Musik von ferne.. am Abendhimmel die Venus gleißt...
Und wir reden jauchzend irr mit fremden Zungen,
Unsere Herzen sind wie Blüten aufgesprungen,
Nieder fuhr durchs Dunkel wie ein Blitz singend der heilige Geist...
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~
Karl Henckell (1864-1929)
Komm, o Pfingsten!
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Freude,
Wo neues Leben
Durch Not und Tod
Alten und Jungen
Mit Feuerzungen
Weltoffenbar wird.
Pfingsten, dich suchen wir,
Du Fest des Sieges,
Wo Wahrheitsschwingen
Ob Lug und Trug
Die Luft erfüllen,
Falschheit enthüllen,
Völkerdurchbrausend.
Pfingsten, ich suche dich,
Du Fest der Geistkraft,
Wo sturmgeläutert
Von Neid und Streit
Sich Menschenmächte
Fürs Edel-Rechte
Strömend vermählen.
Pfingsten, dich suchen wir,
Fest der Gemeinschaft,
Wo gleich durch Wunden
Zu Rat und Tat
Sich frei verbunden
Höchste Geringsten:
Komm, o Pfingsten!
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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/goethe.php
Pfingsten, das liebliche Fest...
Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen; es
grünten und blühten
Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen
und Hecken
Übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel;
Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden
Gründen,
Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die
Erde.
(aus: Reineke Fuchs)
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