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Johann Christian Günther (1695-1723)

Lob der Freundschaft

Kein Mensch hat von des Höchsten Güte
Ein größer Zeugnüß auf der Welt,
Als wem sie ein getreu Gemüte
Durch seltne Führung zugesellt,
Dergleichen Schatz lehrt uns auf Erden,
Viel eitler Wünsche loszuwerden.

Die Güter des bedrängten Lebens
Sind insgemein mehr Schein als Werth.
Man sucht das Glücke da vergebens,
Wo Ehr und Pracht das Haupt beschwert
Und wo Gefahr und Last und Sünden
Im Purpur Platz und Nahrung finden.

Der geile Saft von Sodoms Früchten
Ergötzt uns durch ein süßes Gift,
Bis Zeit und Lust den Leib zernichten
Und Rach und Glut die Seelen trift,
Die mancher schönen Lais Küssen
Zuletzt umsonst verfluchen müssen.

Der Mammon macht in aller Ohren
Den schön- und angenehmsten Klang.
Zählt immerhin, ihr kargen Toren,
Die Finger blau, das Silber blank;
Dies niederträchtige Vergnügen
Soll mich nicht um die Ruh betriegen.

Ein Herz, das mit mir lacht und weinet,
Nachdem sich mein Verhängnüß kehrt,
Das, was es sagt, auch denkt und meinet,
Des Nächsten Heil wie seins begehrt,
Mich freundlich straft und unterrichtet
Und allen Zank mit Sanftmut schlichtet,

Ein solches Herz ist meinem Herzen
Ein Reichtum, den kein Dieb berührt,
Ein Stab und Trost in Fall und Schmerzen,
Ein Anker, den kein Sturm entführt,
Ein Arzt, der Schlag und Wunden heilet
Und allzeit sichern Rath erteilet.

Im Glück ist dies mein größtes Glücke,
Dass so ein Freund es mitgenießt,
Und gibt der Himmel saure Blicke,
So wird die Bitterkeit versüßt,
Wenn Jonathan und David ringen,
Einander ehrlich beizuspringen.

Da trennt kein Eigennutz die Seelen,
Die in zwei Körpern eines sind,
Da darf man nichts aus Furcht verhehlen,
Da kommt die List der Missgunst blind,
Da müssen Argwohn, Neid und Hassen
Den Bund wohl unzerrissen lassen.

Wir setzen uns vertraut zusammen,
Betrachten Gott, uns und die Welt.
Bald fluchen wir den Kriegesflammen,
Wodurch manch schönes Reich zerfällt,
Bald wünschen wir des Friedens wegen
Dem großen Karlen Sieg und Seegen.

Wir richten andre sonder Spotten
Und gehn uns selber nicht vorbei.
Wie mancher Missbrauch auszurotten
Und wie gedrückt die Armut sei,
Das pflegen wir mit treuem Klagen
Einander christlich vorzusagen.

Die Unschuld scherzt mit uns zur Seite,
Die Weisheit gibt uns Licht und Ruh,
Und droht uns auch der Tod noch heute,
So setzt uns sonst kein Kummer zu
Als dieser, dass wir fürchten müssen,
Uns nicht in einen Sarg zu schließen.

Nun mag das Unglück Pfeile schärfen,
Dir, Himmel, hab ich nun nicht mehr
Mein Kreuz und Elend vorzuwerfen:
Ich seh, du liebst mich noch zu sehr
Und lässt mich die versagten Gaben
Durch meinen Freund auf einmahl haben.

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