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Karl Kraus (1874-1936)

Radio

Hat Menschengeist Natur so aufgestört,
dass er sie zwingt, von allem, was da tönt,
ins taube Ohr der Menschheit zu ergießen?
Welch missgestimmtes Maß im Allgenießen,
wie sie Musik aus allen Sphären hört
und nichts von jedem Jammer, der da stöhnt!

O Trost und Trug der Trübsal, die vernimmt,
dass irgendwo die Unbeschwerten tanzen
und irgendwo das Leben ohne Last.
Sie selbst trägt auf dem Rücken ihren Ranzen,
und die das Schicksal an der Kehle fasst,
erfahren, dass die Sänger wohlgestimmt.

Verkehrter Fortschritt in die Weltenkluft,
den schmerzvoll die Natur zur Umkehr wendet,
auf dass die Sänger mit den Hörern tauschen.
Erfüllt vom Gram der Erde sei die Luft!
Auf allen Wellen sei das Weh gesendet,
dass alle Frohen allen Seufzern lauschen!

Misston der Menschlichkeit, Choral der Qualen,
stürz in das grausam lustverwöhnte Ohr
und lasse den Diskant der Dinge hören!
Und was als Wehlaut sich ins All verlor,
soll an dem Tag, der diese Schuld wird zahlen,
erschallen euch als die Musik der Sphären!

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