Startseite ~ Dichter ~ Titel ~ Gedichtanfänge ~ Neues ~ Links ~ Rechtliches |
Erich Mühsam (1878-1934)
Wiegenlied
Still, mein armes Söhnchen, sei still!
Weine mich nicht um mein bisschen Verstand.
Weißt ja noch nichts vom Vaterland,
Dass es dein Leben einst haben will,
Sollst fürs Vaterland stechen und schießen,
Sollst dein Blut in den Acker gießen,
Wenn es der Kaiser befiehlt und will.
Still, mein Söhnchen, sei still!
Trink, mein Söhnchen, von meiner Brust!
Trinke, dann wirst du ein starker Held,
Ziehst mit den andern hinaus ins Feld.
Vater hat auch hinaus gemusst.
Vater ward wider Willen und Hoffen
Von einer Kugel - ins - Herz - getroffen.
Aus ist nun seine und meine Lust.
Trink von der Mutterbrust!
Freu dich, goldiges Söhnchen, und lach!
Bist du ein Mann einst, kräftig und groß,
Wirst du das Lachen von selber los.
Fröhlich bleibt nur, wer krank und schwach.
Vater war lustig. Ich hab ihn verloren,
Hab dann dich unter Schmerzen geboren,
Hörst drum ewig mein klagendes Ach.
Freu dich, Söhnchen, und lach.
Schlaf - mein süßes Söhnchen - und schlaf!
Weißt ja noch nichts von Unheil und Not,
Weißt nichts von Vaters Heldentod,
Als ihn die bleierne Kugel traf.
Früh genug - wird der Krieg und der Schrecken
Dich zum ewigen Schlummer erwecken.
Friede, behüt meines Kindes Schlaf!
Schlaf, mein Söhnchen, o schlaf!
Mehr Gedichte aus:
Kriegsgedichte
Mehr Gedichte von:
Erich Mühsam.