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Wilhelm Hertz (1835-1902)
Begegnung
Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh;
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh.
Dein Reiz ist lang’ verwelket,
Mir blühet ewig jung
Auf deinen bleichen Wangen
Sel’ge Erinnerung.
Es steht die alte Gasse
Sehnsüchtig vor mir da,
Wo ich am Sonntagmorgen
Zum erstenmal dich sah.
Die abendliche Laube
Ergrünt in goldnem Strahl,
Da ich dein rosig Antlitz
Geküsst zum erstenmal.
Und alle Liebespfade
Eröffnen sich vor mir,
Die ich in blauen Tagen
Gewandelt einst mit dir.
All deiner Liebe denk’ ich,
Der Falschheit denk’ ich nicht!
Mir weht wehmüt’ger Friede
Von deinem Angesicht;
Dein Herz nur möchte’ ich fragen,
Ob es nun glücklich sei;
Da blickst du bang zu Boden,
Ich gehe rasch vorbei.
Du hast mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh;
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh.
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