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Louise Otto (1819-1895)
Im Hirschberger Tal
Es ist wohl eine Freudenthrän'
Mir in das Aug getreten
Als ich die Gegend hier gesehn,
Ein wortlos stilles Beten
Hier, wo die Berge rings herum
Sich heben wie Altäre
So feierlich, so ernst und stumm
So stark zu Gottes Ehre.
Es trägt das Haupt der Koppe Schnee,
Hell schimmert die Kapelle
Es springen von der Berge Höh
Die muntern Wasserfälle;
Die Wiesen sind so frisch und grün,
So schön die dichten Wälder
Und wunderbare Blumen blühn,
Hoch stehn die Saatenfelder.
Mir ist ich sei im Paradies
Wenn ich so ringsum schaue!
Und hingesunken träum ich süß
Auf dufterfüllter Aue.
So traut, so heimlich ist's im Tal,
Und von den Bergen droben
Klingts wie ein Gruß von Rübezahl,
Der seine Stimme erhoben.
Doch weiter setz ich meinen Fuß,
Hin wo die Menschen wohnen
Ich biete ihnen frohen Gruß
Und sie: »Mag's Gott Euch lohnen!«
Das klingt so traurig, schmerzensreich,
Was blickt ihr so zur Erde?
Helf Gott! Du Weib – wie bist Du bleich,
Wie schmerzlich von Gebärde?
In Deine Hütte lass mich sehn –
Da drinn am Webestuhle,
Gestalten voller Jammer stehn
Und klappern mit der Spule.
Die Kinder schreien laut nach Brot,
Die blinde Alte singet
Ein düstres Lied vom Freunde Tod,
Der einst Erlösung bringet.
Es ist wohl eine Schmerzensträn',
Mir in das Aug getreten
Als ich die Menschen hier gesehn,
Ein wortlos stilles Beten,
Bis einen Schrei hervor ich stieß. –
O hört ihn nicht vergebens! –
Die Schlange ist im Paradies
Und frisst vom Baum des Lebens!
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