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Friedrich Hebbel (1813-1863)
Ein Geburtstag auf der Reise
Wie wird mir so beklommen,
Obgleich ich ruhig schlief!
Wär’ heut der Tag gekommen,
Der mich ins Leben rief?
Ja, sagt mir der Kalender,
Ein Strauß des Freundes auch,
Den der zu milde Spender
Mir flocht am Lorbeerstrauch.
Ach, was sind das für Boten!
Wo bleiben Weib und Kind,
Die sonst, zum Liebesknoten
Verschränkt die Ersten sind!
Heran, heran, wie immer,
Du teures, teures Paar,
Sonst wage ich mich nimmer
Hinein ins neue Jahr.
Dass ich noch Atem hole,
Verdank’ ich euch allein,
Denn ihr seid meine Pole
Und werdet’s ewig sein!
Wie sollt’ ich wohl noch ringen,
Wär’s nicht des Vaters Pflicht?
Und könnt’ es mir gelingen,
Stärkte dies Weib mich nicht?
Drum schnell, ich muss euch schauen,
Christine, an mein Herz,
Du innigste der Frauen,
Eh’ es erstarrt vor Schmerz.
Und dass ich zwiefach nippe,
Reich’ auch dein Kind zum Kuss,
Das meiner bärt’ge Lippe
Nur naht, wenn’s eben muss.
Sie zögern noch! Ermannung!
Sie sind dir heut zu fern!
Du lebst in der Verbannung,
Doch nicht von Stern zu Stern!
Du ward’st auf eine Weile
Dem Paradies entrückt,
Damit es, dir zum Heile,
Bald doppelt dich beglückt.
Nun wohl, ich will es tragen,
Bin ich auch Duldens satt;
Ich ward zurück verschlagen
In eine finstre Stadt,
Wo ich, der Welt verborgen,
Bestand den ersten Streit,
Drum werde dieser Morgen
Der Pilgerschaft geweiht.
Es ist die rechte Stunde,
Ein Schlachtfeld zu beschaun,
Ich mache flugs die Runde
Und tu’ es ohne Graun,
Als wären’s schon Äonen,
Wo ich hier, stumm, doch bang,
Mit jedem der Dämonen
Auf Tod und Leben rang.
Drum erst zum kleinen Hause,
Das mich beherbergt hat!
In dieser dunklen Klause
Reift’ ich zur Dichtertat,
Viel litt ich da im stillen,
Viel hat’s in mir geschafft:
Von Gott den reinen Willen,
Vom Teufel jede Kraft.
Vorüber doch, vorüber!
Mir wird in meinem Sinn
Auf einmal trüb und trüber,
Nun ich zur Stelle bin.
Mir deucht, durch dieses Fenster
Grinst noch der ganze Chor
Der Larven und Gespenster,
Die mich gequält, hervor.
Dafür zum Königsgarten
Mit raschem Schritt hinab!
Er war’s, der dem Erstarrten
Stets wieder Leben gab,
Der, wenn mich eine Mahnung
Der Todes tief geschreckt,
Mich gleich durch eine Ahnung
Der Zukunft neu geweckt.
O Park, sei mir gesegnet!
Bleib ewig frisch und grün,
Und wenn’s nur einmal regnet,
So sollst du zweimal blühn!
In jeden deiner Gänge
Verlier’ ich mich mit Lust,
Denn jeder hat Gesänge
Gehaucht in meine Brust.
Hier zeigte, wie im Traume,
Sich mir die Judith schon!
Dort, unterm Tannenbaume
Sah ich den Tischlersohn,
Da drüben winkte leise
Mir Genovevas Hand,
Und in des Weihers Kreise
Fand ich den Diamant.
Dann wollt’ es mich bedünken,
Ich sei unendlich reich!
Mein Busen war dem Blinken
Des Sternenhimmels gleich:
Schon viel sind aufgegangen
In wandelloser Pracht,
Mehr glaubt man noch umfangen
Vom stillen Schoß der Nacht.
Zwar blieben’s damals Schemen,
Mir nur zum Trost geschickt,
Sie mussten Abschied nehmen,
Sowie ich sie erblickt.
Das fügte tausend Schmerzen
Den schwersten noch hinzu,
Doch kam zuletzt dem Herzen
Durch sie allein die Ruh.
Denn als sie Blut getrunken,
Wie des Odysseus Schar
Im Hades, deren Funken
Längst still verglommen war:
Da wandelten die Schatten
Sich in Gestalten schnell,
Und nun sie Leben hatten,
Ward’s rings um mich auch hell.
So will’s ja der Berater
Der Welt, dass in der Kunst
Das Kind den eignen Vater
Erlöst vom irdschen Dunst
Und für die heil’ge Schüssel
Voll Bluts, die er vergießt,
Ihm dankt mit einem Schlüssel,
Der ihm das All erschließt.
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